piwik no script img

PortraitDie unwissende Sekretärin

Tod mit 106 Jahren: Goebbels’ Sekretärin Pomsel Foto: dpa

Es ist 75 Jahre her, da arbeitete Brunhilde Pomsel ganz nahe an der Macht. Als Sekretärin von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels gingen geheime Unterlagen über ihren Schreibtisch. Doch hineingesehen habe sie in diese Papiere nie. Ja, sie war sogar stolz darauf, keinen Blick etwa in die Akte der Geschwister Scholl geworfen zu haben, weil sie Goeb­bels’Vertrauen nicht enttäuschen wollte. „Darauf bin ich bis heute stolz“, sagte Pomsel den Machern eines Dokumentarfilms über sie, der im April in die Kinos kommen soll.

Pomsel war bei Goebbels’berühmter Rede im Berliner Sportpalast dabei, als dieser den „totalen Krieg“ ausrief. Die letzten Tage des Nazi-Reichs erlebte sie im Führerbunker. Doch nichts will sie erfahren oder mitbekommen haben über die Kriegsverbrechen und den Holocaust: „Nichts haben wir gewusst.“ Persönlich fühlte sie sich auch nicht schuldig, jedenfalls nicht mehr als das ganze deutsche Volk. Da befand sich Pomsel nach dem Krieg, als sich die Deutschen kollektiv für unschuldig erklärten, in guter Gesellschaft.

Und auch in anderer Beziehung erinnert ihre Lebensschilderung fatal an die Unfähigkeit zu Empathie mit den Verfolgten, gepaart mit Eigennutz. Ja, sie besaß eine jüdische Freundin: Eva Löwenthal. Doch die bat sie eines Tages, bitte auf sie zu warten, bis sie sich bei der ­NSDAP eingeschrieben hatte. Danach blieb bis 1942 ein loser Kontakt zwischen den beiden Frauen. 1943 wurde Löwenthal in Auschwitz ermordet. Pomsel fiel es erst Jahrzehnte später ein, sich nach ihrem Schicksal zu erkundigen.

Brunhilde Pomsel wurde 1911 geboren. Sie wuchs in Berlin auf, wurde streng preußisch erzogen. „Ein bisschen auch dieses Sich-Unterordnen“ nannte sie das. Nach Jobs bei einem Rechtsanwalt und beim Rundfunk arbeitete sie ab 1942 im Propagandaministerium, nach eigener Aussage dienstverpflichtet.

Nach dem Krieg kam Pomsel für fünf Jahre in russische Gefangenschaft – „unfair, weil ich ja nichts getan hatte“, erklärte sie. Später arbeitete sie für den Rundfunk und wurde Chefsekretärin beim Südwestfunk.

In der Nacht zum Samstag ist Brunhilde Pomsel im Alter von 106 Jahren in München ver­storben. Klaus Hillenbrand

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen