piwik no script img

PortraitDer Rechtserfahrene

Von der AfD Angezeigt: Bürgermeister Melf Grantz   Foto: dpa

Es ist nicht neu, dass in Bremerhaven Politik mithilfe der Justiz gemacht wird: Schon als Melf Grantz (SPD) 2010 Oberbürgermeister wurde, bevor sein amtsmüder Vorgänger gegangen war, musste das Verwaltungsgericht ran. Erstmals interessierte sich die Ermittlungsbehörde seiner Heimatstadt im März 2010 für den gelernten Strafverteidiger Grantz. Allerdings ging es damals bloß darum, dem ehrenamtlichen Jugendstadtrat ans Bein zu pinkeln: Grantz habe, so lautete, grob resümiert, der haltlose Vorwurf, einem Kindergarten ein paar Mark zu viel überwiesen.

Heute ist Grantz hauptamtlicher Chef der Stadtverwaltung. Auch wenn es nun die widerwärtige AfD ist, die ihn angezeigt hat, bedeutet das nicht automatisch, dass der 53-Jährige nichts am Hacken hat. Immerhin hat Grantz schon mal eingeräumt, die Antikorruptionsrichtlinie der Stadt verletzt zu haben. Die Folge dieses Versäumnisses: Die Verfahren gegen zwei Mitarbeiter des Beschaffungsamtes konnten erst verzögert aufgenommen werden.

Denn Grantz war von deren Abteilungsleiterin über ihren mit sehr konkreten Belegen begründeten Verdacht unterrichtet worden, dass ihre Untergebenen geldwerte Vorteile angenommen hatten. Konkret hatte die zwei nebst ihren Partnern eine Softwarefirma eingeladen, die zu allem Überfluss einem SPD-Bürgerschaftsabgeordneten gehört: zu einem exklusiven Varieté-Besuch inklusive Drei-Gänge-Dinner. Einer von ihnen hatte sich per Mail herzlich bedankt, für sich und seine Gattin zugesagt und angeregt, "über Ihr Angebot, bezogen auf das Upgrade" zu sprechen – sobald er wieder im Dienst sei.

Diese Mail hatte die Abteilungsleiterin dem OB vorgelegt. Er habe das Gewicht der Mitteilung "unterschätzt", hat der mittlerweile erklärt. Gegen die Vermutung, er hätte, als oberster Dienstherr, mit der zeitnahen und laut Verwaltungsgericht rechtswidrigen Strafversetzung der Frau zu tun gehabt, verwahrt er sich: Das wäre ja für alle erkennbar eine aktive Strafvereitelung im und qua Amt gewesen. Nicht zu zerstreuen vermocht hat er so den Verdacht, sie durch Nichtstun begangen zu haben. Aber der ist, wie jeder Rechtserfahrene weiß, viel schwieriger zu erhärten. bes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen