Portrait: Gefahr von oben
Martin Bäumer fordert Aufklärung: Der umweltpolitische Sprecher der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion will von der Regierung wissen, ob es Chemtrails gibt. Und ob ihr Messwerte für die Menge von Schwermetallen in der Luft vorliegen. Und ob diese womöglich im Blut von Patienten nachweisbar sind.
Er ist nicht von allein aufmerksam geworden: „An mich wandten sich immer mal wieder Menschen, denen Besonderheiten am Himmel aufgefallen sind“, berichtet Bäumer. „Viele sagen, da sei etwas anders als früher.“ Viele, das seien vor allem Verfechter der Chemtrail-Theorie. Sie behaupten, dass Flugzeugabgase mit gefährlichen Chemikalien und Schwermetallen wie Aluminium angereichert seien. Die Metalle würden Sonnenstrahlen reflektieren und somit den Treibhauseffekt vermindern. Das nenne sich „Geo-Engineering“. Die Wissenschaftler würden so Einfluss auf den Klimawandel nehmen.
Sicher ist sich Bäumer nicht. Aber: „Wenn dem so ist, dann lässt sich das bestimmt auch messen.“ Und: Mit der vorhandenen Behördenstruktur hätte die Landesregierung beste Möglichkeiten dafür.
Immerhin: „Ich schaue gerne in den Himmel“, sagt der 47-Jährige. „Besonders wenn er blau ist.“ Besonders dann falle ihm auch manchmal auf, dass einige Kondensstreifen von Flugzeugen schnell verschwinden, andere wiederum länger bleiben und letztlich „auswabern“ würden.
Sind Chemtrails gar eine politische Verschwörung? Seine Anfrage hat für Hohn gesorgt. Das ärgert den Politiker. Dass einige schon vor Beantwortung seiner Anfrage spöttisch mit dem Thema umgehen, sei „ein Armutszeugnis“, sagt Bäumer. Und überhaupt: In einer Demokratie gebe es Meinungsfreiheit. Er sei kein Meteorologe. Aber: „Es ist die Aufgabe eines vernünftigen Politikers, dem nachzugehen“, sagt Bäumer. „Klarheit können hier nur wissenschaftliche Belege bringen.“
Das Umweltbundesamt hat sich bereits wissenschaftlich mit dem Thema befasst und für die Beobachtungen der „besorgten Bürgerinnen und Bürger“ eine Erklärung: Für das „Einbringen von Aluminiumverbindungen in die Atmosphäre und die Bildung sogenannter Chemtrails gibt es keinerlei wissenschaftliche Belege“, heißt es in einer Stellungnahme. „Bei niedriger Feuchte lösen sich Kondensstreifen rasch wieder auf. Ist die Atmosphäre jedoch hinreichend feucht, können Kondensstreifen länger existieren und weiter wachsen.“
Dennoch: Bäumer will die Antwort seiner Landesregierung abwarten. Mit seinen Sorgen ist der CDU-Politiker nicht allein. „Wir leiden unter einer enormen Luftverschmutzung durch Chemtrails“, sagt Dominik Storr, Sprecher der bundesweiten Bürgerinitiative „Sauberer Himmel“. Es gebe mittlerweile rund 100 Regenwasserproben, die erhöhte Aluminium- und Bariumwerte aufweisen.
Dass illegal gesprüht werde, zeige auch das stark veränderte Klima. Im Sommer gebe es kaum noch Tau. Verantwortlich dafür seien die versprühten Metalle. Das gefährde nicht nur Menschen. Auch Schmetterlinge sehe man immer weniger. „Sie leben schließlich von Feuchtigkeit“, sagt Storr.
Warum es kaum belastbare Beweise gibt, kann der Rechtsanwalt erklären: Die versprühten Stoffe bestünden häufig aus Nanopartikeln. Und die seien in Laboren nicht feststellbar. „Das ist High-Tech“, erklärt Storr. Wer genau versprüht, das wisse er nicht. Es sei schließlich ein Geheimnis. Dass dieses Geheimnis nun politisch aufgegriffen wird, freut Storr. „Es ist wichtig, dass die Leute mit reinem Verstand an das Thema herangehen.“
Eben Leute wie Martin Bäumer. Der CDU-Politiker muss nun bis zu sechs Wochen warten. Dann hat auch er Gewissheit. „Die Anfrage wird an das zuständige Fachressort weitergegeben“, sagt Olaf Reichert, Sprecher der Niedersächsischen Landesregierung. Anschließend bekomme der Abgeordnete eine schriftliche Antwort. Der Fall werde genauso bearbeitet wie alle anderen auch. „Es gibt allerdings immer mal wieder Anfragen, die ein kleines Schmunzeln hervorrufen“, räumt Reichert ein. Die konkrete Anfrage vorab zu bewerten, stehe der Landesregierung allerdings nicht zu.
Laurin Meyer
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