Portrait von Liu Xia: Die unfreiwillige Politikerin
Liu Xia ist die Ehefrau des chinesischen Friedensnobelpreisträgers. Sie bezeichnete sich als unpolitisch. Doch jetzt steht ausgerechnet sie im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit.
"Ich wollte nie etwas mit Politik zu tun haben - und jetzt mache ich nichts anderes!", sagte Liu Xia in der vergangenen Woche, und in ihren Stoßseufzer mischte sich ein kleines Lachen.
Wenige Tage bevor das Friedensnobelpreis-Komitee bekanntgeben sollte, wer die Ehrung in diesem Jahr erhalten wird, war klar, dass ihr Mann Liu Xiaobo zu den Favoriten gehörte. Und so sitzt die 49-jährige Liu, eine zierliche Frau mit kurzem Haar, Stunde um Stunde im Teehaus ihres Wohnviertels und beantwortet die Fragen der Journalisten.
Während sie schmale Mentholzigaretten raucht, spielen ihre Hände mit Fotos, die sie noch vor der Verhaftung ihres Mannes im Dezember 2008 gemacht hatte. "Man hat mich gebeten, eine Ausstellung mit meinen Bildern von ihm in Prag zu machen, vielleicht auch in Deutschland, ich weiß es noch nicht."
Als sie ihren Mann in den neunziger Jahren kennenlernte, hatte Liu eine wichtige Entscheidung getroffen: Sie hatte ihren Job 1993 als Beamtin in einer Steuerbehörde aufgegeben und sich für ein Leben als freie Künstlerin entschieden.
Sie wusste, auf was sie sich einließ, als sie mit Liu Xiaobo zusammenzog: Er hatte Berufsverbot und bereits seinen ersten Gefängnisaufenthalt hinter sich. Als beide 1996 heiraten wollen, kommt er wieder in Haft. Durch die Hilfe eines Funktionärs dürfen beide 1998 schließlich die Ehe registrieren lassen - da sitzt er noch im Arbeitslager.
Den Reformappell "Charta 08", für den ihr Mann zu elf Jahren Haft verurteilt wurde, hat sie nicht unterschrieben. "Ich bin ja nicht politisch", wiederholt sie. Liu Xia "lebt ihr eigenes Leben", wie sie sagt. Sie schreibt Gedichte, malt, fotografiert. Ihre Werke sind "oft düster und melancholisch" sagt sie. "Dafür lache ich häufig, wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin."
Ihre Freunde helfen ihr, mit der Einsamkeit und dem Druck fertig zu werden: Dazu gehören ehemalige politische Häftlinge, Bürgerrechtler, verbotene Schriftsteller, aber auch Professoren, Künstler und "ganz normale Leute, die Liu Xiaobo und mir helfen wollen".
Bei ihren monatlichen Besuchen im Gefängnis "stehen unsere Freunde Schlange, um mich zu begleiten", sagt sie. Am Sonntag war sie wieder im Gefängnis. Diesmal konnte sie ihm eine große Nachricht überbringen.
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