Portrait einer 20-jährigen Polizeichefin: Mexikos neue Mafia-Jägerin
In einer mexikanischen Kleinstadt im Grenzgebiet zu den USA wurde eine 20-Jährige Kriminologie-Studentin zur Polizeichefin genannt. Medien erklären sie weltweit zur Heldin.

Sie ist 20 Jahre jung, Mutter eines kleinen Sohnes, studierte Kriminologie - und wurde nun zur Symbolfigur Mexikos im Kampf gegen die Drogenmafia gekürt. Im Rathaus von Praxedis G. Guerrero, einer 7.000-Seelen-Gemeinde an der Grenze zu den USA, leitet Marisol Valles García die "Abteilung für Sicherheit und Vorbeugung".
Ciudad Juárez, eine der gewalttätigsten Städte der Welt und der Studienort der Frau mit den langen, dunkelbraunen Haaren und der schwarzen Brille, liegt gerade 65 Kilometer westlich von Praxedis. Allein in den letzten zwei Jahren hat der sogenannte Drogenkrieg in der Region rund 6.000 Todesopfer gefordert.
Obwohl Valles von Anfang an betont hatte, ihre Aufgabe sei es nicht, gegen die Mafia vorzugehen, kolportierten Medien in aller Welt in den letzten Tagen Sätze wie: "Ich gehe das Risiko ein, weil ich möchte, dass mein Sohn in einer anderen Gesellschaft lebt als wir" oder: "Ich will, dass die Menschen hier wieder ohne Angst leben können." Die "zierliche" Frau sei die einzige Person gewesen, die bereit gewesen sei, "den wahrscheinlich gefährlichsten Job der Welt" zu machen, fabulierte die Bild-Zeitung.
Die Wahrheit ist profaner. Gemeindesekretär Andrés Morales bekräftigte: "Gegen die organisierte Kriminalität haben wir sowieso keine Chance." Kein Wunder, es gibt gerade einen dorfeigenen Streifenwagen, der frischgebackenen Polizeichefin unterstehen drei bewaffnete Männer und zehn unbewaffnete Frauen.
"Vielmehr befürchtet Morales, dass sich der von einer Hauptstadtzeitung ausgelöste Medienhype nun zu einem Risiko" für Marisol Valles auswachsen könnte. Ihre Aufgabe bestehe in der Verbrechensvorbeugung, betont der Funktionär. Die Verfolgung von Kriminellen überlasse man der Polizei des Bundesstaates Chihuahua und der Armee.
Valles' gleichaltrige Kommilitonin Montserrat Cornejo sieht in der Nominierung einen Beweis für Frauenpower, andere Bewohner von Praxedis sind skeptischer. Immerhin bekam Bürgermeister José Luis Guerrero jetzt eine Sonderaudienz beim Gouverneur. Was Andrés Morales hoffen lässt. "Vielleicht schicken sie uns jetzt die Unterstützung, die wir so dringend brauchen."
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!