Porträt: Neuling mit mäßiger Bilanz
Die öffentliche Stimmung ist wechselhaft, aber wichtig für Entscheidungen in der Fußballbranche. Keiner weiß, was die Leute in drei Monaten sagen, aber Stand jetzt muss der Keilstürmer Mario Gomez in Wolfsburg gehalten werden. Koste es, was es wolle. Sonst sind die Verantwortlichen die einzigen im Land, die wirklich überhaupt keine Ahnung von Fußball haben. VfL-Sportdirektor Olaf Rebbe hat das Projekt Gomez seit dem Bundesliga-Klassenerhalt durch das 1:0 in Braunschweig und auch über Pfingsten prioritär bearbeitet. Es ist speziell auch für ihn wichtig, dass es gelingt, den herausragenden Spieler nach der desaströsen Saison zu halten.
Einerseits steht der homo novus Rebbe, 39, dafür, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Qualifikation für Jobs im Fußballmanagement eine Profikarriere und alte Seilschaften waren. Rebbe hat Bezirksoberliga gespielt, aber dafür Marketing- und Kommunikation studiert und den Job in der zweiten Reihe bei seinem Mentor Klaus Allofs gelernt. Erst folgte er ihm von Bremen nach Wolfsburg, dann – nach dessen Entlassung Ende letzten Jahres als VfL-Manager – rückte Rebbe auf. Er hat allerdings nicht dessen Macht und Status. Allofs war faktisch Klubchef, Rebbe steht hierarchisch unterhalb der Geschäftsführerebene, die gerade neu formiert wird.
Nach der Entlassung von Allofs wollte man bei VW sehen, ob das mit Rebbe trägt. Unklar, ob man es inzwischen schon wissen kann. Jedenfalls will man mit ihm weitermachen. Seine Bilanz ist durchwachsen. Den Nationalspieler Julian Draxler hatte er im Winter für viel Geld sauber zu Paris St. Germain weitergereicht. Doch die eigenen, auch nicht billigen Verpflichtungen (Malli, Bazoer) waren auf die Schnelle mäßig hilfreich und den Zwischentrainer Ismael hat er zu lange wurschteln lassen.
Gerade hat er für kolportierte 20 Millionen den Hertha-Profi John Anthony Brooks (24) verpflichtet. Einerseits braucht der VfL dringend bessere Innenverteidiger, andererseits ist unklar, ob das Preis-Leistungs-Perspektiv-Erlös-Verhältnis stimmig ist. Das Problem der VW-Tochter VfL Wolfsburg besteht aber nicht darin, „zu viel“ Geld auszugeben, sondern damit Potential zu holen. Es war ja nicht nur der öffentlich hingerichtete Draxler, den es nur noch wegzog. Die entscheidende Frage für Olaf Rebbe und seinen Trainer Andries Jonker wird sein, ob sie durch die richtigen Personalwechsel das Grundrauschen der Unzufriedenheit abstellen können, das seit längerem über dem Kader liegt und alle lähmt – und zwar nicht nur die, die schleunigst weg wollen, sondern auch die, die bleiben und Wolfsburg gut finden wollen. Peter Unfried
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