Porträt: Boot statt Ball
Dass Spitzen-Athleten die Sportart wechseln und dort auch wieder zur Weltklasse gehören, kennt man hauptsächlich von Leichtathleten, die am Ende ihrer Karriere nochmal einen Bob anschieben oder von Skilangläuferinnen, die Schießen lernen und es beim Biathlon versuchen. Hamburgs Sportlerin des Jahres 2012 könnte sogar in zwei ganz unterschiedlichen Sportarten Olympiasiegerin werden.
In London gewann Edina Müller die Goldmedaille im Rollstuhlbasketball, nachdem sie aus Peking vier Jahre vorher bereits die Silbermedaille mitgebracht hatte. 2014 verabschiedete sie sich erst mal vom Leistungssport und wollte neben dem Beruf als Sporttherapeutin eigentlich nur noch zum Spaß Sport treiben: ein bisschen Rollstuhlbasketball in der Regionalliga, hin und wieder tauchen und Kanu fahren.
Letzteres klappte dann aber so gut, dass es ihren Ehrgeiz wieder entfachte und sie ich dem Hamburger Kanu Club anschloss. Seit einem Jahr sieht man die gebürtige Rheinländerin nun nach Feierabend regelmäßig auf der Außenalster im Rennboot trainieren. „Parakanu ist sogar noch ein bisschen integrativer als Rollstuhlbasketball, weil du dich hier im Training mit den anderen Kanuten auch ins Boot setzt und einfach losfährst“, sagte die 32-Jährige, die seit ihrem 16. Lebensjahr querschnittsgelähmt ist, in einem Interview. „Sobald du im Boot sitzt, ist da kein Unterschied mehr.“
Müller stieß auch in der neuen Sportart schnell in die Spitze vor: Im April qualifizierte sie sich für die Nationalmannschaft, Anfang Mai gewann sie bei der EM in Tschechien Silber, um im Sommer dann die unbeständige Alsteroberfläche gegen wärmere zu tauschen: in Ungarn, Kroatien und Slowenien. Ziel waren die Kanu-Weltmeisterschaften Ende August in Mailand, wo neben Medaillen auch die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio 2016 winkte.
Anders als in vielen Sportarten fand in Mailand die WM der Parakanuten zusammen mit jener der nicht behinderten Athleten statt. Im Parakanu-Finale über 200 Meter im Kajak musste sich Müller wie bei der Europameisterschaft einzig der Britin Jeanette Chippington geschlagen geben. Nun kann sie sich ohne Qualifikationsstress auf ihre nächsten Olympischen Spiele vorbereiten.
Auf dem Boot macht sie derweil schon Werbung für die überübernächsten: Müller ist Botschafterin der Hamburger Bewerbung für die Paralympischen Spiele 2024. Hat die Erfolg, ist es durchaus vorstellbar, dass Müller dann noch aktiv dabei ist. Über ein Comeback 2016 denkt ja auch die deutsche Kanu-Legende Birgit Fischer nach –mittlerweile 53 Jahre alt. RLO
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen