Porträt Jürgen Roters: Ein rot-grüner Wahlsieger
Neuer Oberbürgermeister in Köln: Mit 54,7 Prozent hat Roters als gemeinsamer Kandidat von SPD und Grünen seinen CDU-Konkurrenten Peter Kurth deklassiert.
Ohrenbetäubende "Jürgen, Jürgen"-Sprechchöre ertönen, als Kölns neuer Oberbürgermeister am Sonntagabend den Saal im Rathaus betritt. Nach zehn trüben Jahren steht mit Jürgen Roters endlich wieder ein Sozialdemokrat an der Spitze der größten Stadt Nordrhein-Westfalens.
Strahlend klettert der 60-Jährige auf einen Tisch und jubelt. Mit 54,7 Prozent hat Roters als gemeinsamer Kandidat von SPD und den Grünen den CDU-Mann Peter Kurth deklassiert. Der ehemalige Berliner Finanzsenator bekam nur 33,3 Prozent. Der Erfolg des nüchternen Verwaltungsfachmanns Roters ist das Ereignis der nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen. Er überstrahlt an diesem Abend alles - auch dass seine Partei landesweit und bei der Stadtratswahl in Köln mit 28 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in der Nachkriegszeit einfuhr.
Dabei kam der Sieg des früheren Kölner Polizei- und Regierungspräsidenten nicht überraschend, nachdem der bisherige CDU-Amtsinhaber Fritz Schramma wegen seines dilettantischen Krisenmanagements nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März auf eine erneute Kandidatur verzichten musste. Der 1949 in Coesfeld geborene Roters hat seine Chance geschickt genutzt. Im Wissen um die für ihn hervorragenden Umfragewerte verlegte sich der passionierte Marathonläufer und frühere Deutsche Jugendmeister über 1.500 und 3.000 Meter im Wahlkampf auf die schlichte Strategie, Fehler zu vermeiden und keine Angriffsflächen zu bieten. Entsprechend ungenau und vage bleiben viele seiner Aussagen, sein Konkurrent Kurth bekam ihn nicht zu packen.
Es ist das erste Wahlamt des Juristen, der seit 1967 SPD-Mitglied ist. Noch 2000 hatte es der dreifache Vater aus familiären Gründen abgelehnt, in das Rennen um den Kölner OB-Posten zu gehen. Eine "sozial gerechte, ökologisch innovative Politik" kündigte Roters am Wahlabend an. In den sechs Jahren seiner Amtszeit werde "die Stadt ein neues Gesicht bekommen, ein Gesicht, auf das wir stolz sein können". Dabei setzt er auf ein enges Bündnis mit den in Köln traditionell starken Grünen, die hier mit 21,7 Prozent ihr landesweit bestes Ergebnis erreichen konnten. Dank seiner Stimme verfügt Rot-Grün über eine hauchdünne Mehrheit im Stadtrat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül