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Porträt Beate KlarsfeldDeutsche, Nichtjüdin, Kämpferin

Die Ohrfeige für Bundeskanzler Kiesinger hat Beate Klarsfeld berühmt gemacht. Ihr Lebensthema ist die Verfolgung von alten Nazis.

1968 attackiert Beate Klarsfeld Bundeskanzler Kiesinger Mit „Nazi“-Rufen von der Bundestagstribüne Bild: picture alliance/dpa

BERLIN taz | „Es ging mir nie um Rache. Ich hatte immer das Gefühl, Gerechtigkeit schaffen zu müssen.“ Beate Klarsfeld hat fast ihr ganzes Leben lang der Bestrafung ehemaliger Nazis gewidmet. Sie hat große Erfolge feiern könne, etwa beim Prozess gegen den „Schlächter von Lyon“, Klaus Barbie, der auf ihre Initiative hin gefasst und 1987 in Frankreich zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

Sie hat bittere Niederlagen erlitten, zum Beispiel bei der Verfolgung des Judenmörders Alois Brunner, der unbehelligt blieb. Aber Beate Klarsfeld war immer eindeutig: Ihr Kampf gegen die Altnazis ist auch ein Bekenntnis für die Würde der Verfolgten. „Ich bin Deutsche und Nichtjüdin, damit habe ich eine moralische Verpflichtung“, so hat sie ihre Aufgabe vor zwei Jahren in einem taz-Gespräch zusammengefasst.

Aber ist Beate Klarsfeld auch eine gute Kandidatin der Linkspartei für das Amt des Bundespräsidenten? Aus der aktuellen Politik hat sich die Deutschfranzösin in den letzten Jahren konsequent herausgehalten. Die in Paris lebende 73-Jährige gehört keiner Partei an. „Ich bin keine Berufspolitikerin, die bezahlt wird für das, was sie macht. Was ich mache, tue ich, weil es gemacht werden muss.“

Vor wenigen Tagen sagte Beate Klarsfeld selbstbewusst: „Mit meiner Kandidatur stünde dem Kandidaten Joachim Gauck die einzige Deutsche gegenüber, die etwas anderes symbolisiert, nämlich die Verfolgung ehemaliger Nazis.“ An anderer Stelle meinte sie: „Es wäre eine große Ehre und Würdigung meiner Arbeit. Mit Joachim Gauck und mir gäbe es dann schon zwei sehr moralische Kandidaten.“

Wertschätzung in gewissen Grenzen

Es ist aber auch so: Joachim Gauck, der ehemalige Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde, ist Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern. Beate Klarsfeld ist diese staatliche Auszeichnung bis heute und ohne Begründung verweigert worden. Offenbar hält sich die Wertschätzung Deutschlands ihr gegenüber in gewissen Grenzen.

Das mag mit einem Vorfall zu tun haben, der sich vor mehr als 43 Jahren auf einem CDU-Parteitag in Westberlin zutrug. Kurt Georg Kiesinger, Bundeskanzler der großen Koalition aus Union und SPD und in einem früheren Leben einmal Mitglied der NSDAP unter der Nummer 2633930, saß auf dem Podium, als eine junge Frau auf ihn zukam und ihm umstandslos eine schallende Ohrfeige erteilte. Dazu rief sie: „Nazi, Nazi, Nazi!“

Die junge Frau war Beate Klarsfeld, und die Tat war in der Bundesrepublik, wo man daran gewöhnt war, dass Exnazis unbehelligt bis in höchste Ämter aufsteigen konnten, natürlich ein Skandal. Beate Klarsfeld bekam für ihre Tat ein Jahr Haft, später wurde die Strafe zu vier Monaten auf Bewährung reduziert. Fortan war sie in der deutschen Öffentlichkeit die „Nestbeschmutzerin“: eine nichtjüdische Deutsche, die, im Ausland lebend, für die verfolgten und ermordeten Juden eintrat. Wie konnte es nur dazu kommen?

Teil der schweigenden Mehrheit

1960 war Beate Künzel für ein Jahr als Au-Pair-Mädchen nach Paris gegangen und begann sich dort für die jüngste Vergangenheit zu interessieren. „Meine Eltern waren weder für noch gegen die Nazis. Sie waren Teil der schweigenden Mehrheit gewesen, die für Hitler gestimmt hatte“, sagte sie Jahrzehnte später.

Sie lernte Serge Klarsfeld kennen, einen jungen Anwalt, dessen Vater in Auschwitz von den Nazis ermordet worden war. 1963 heirateten die beiden. Beate und Serge Klarsfeld arbeiteten ab Ende der 1960er Jahre gemeinsam daran, Altnazis aus ihren Schlupflöchern in den Knast zu befördern.

Dabei gingen die Klarsfelds nicht immer mit dem Gesetzbuch unterm Arm vor. 1971 versuchten sie etwa, den für die Deportation von über 70.000 französischen Juden verantwortlichen Kurt Lischka aus Deutschland nach Frankreich zu entführen, damit ihm dort der Prozess gemacht werden sollte. Der Plan scheiterte zwar, doch immerhin wurde Lischka 1979 in Köln der Prozess gemacht, bei dem der SS-Mann zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Beate Klarsfeld erschien damals zusammen mit ihrem Mann regelmäßig im Gerichtssaal. Sie war zur moralischen Instanz geworden.

Beate Klarsfeld hat mehr als ihr halbes Leben lang mit dem Kampf gegen Nazis verbracht. Ob sie eine Linke ist, weiß nur sie. Gewiss aber entsprechen ihre Vorstellungen nicht dem Freund-Feind-Schema mancher Palästina-Freunde innerhalb der Linkspartei. „Meine Solidarität mit Israel wird in manchen Parteikreisen kritisch gesehen. Ich bekomme unfreundliche E-Mails“, sagte sie vor wenigen Tagen.

Ihre Position gegenüber dem jüdischen Staat umriss sie vor einem Jahr so: „Das Problem ist nach wie vor, dass Israel von arabischen Staaten umgeben ist, die es von der Landkarte tilgen wollen. Dagegen muss Israel sich selbstverständlich verteidigen.“ Das mag Konsens bei all den Parteien sein, die den Kandidaten Joachim Gauck unterstützen. Doch deren Anhänger werden sie nicht wählen.

Mitarbeit: R. Balmer, Paris

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16 Kommentare

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  • E
    Emil

    Hallo zusammen,nun haben wir Ihn den wir haben wollten.Die Linke hat Ihn abgelehnt,ist ja klar.Bloß ich beobachte seit langen die Merkel,warum ist/war sie gegen Gauck.Wann wird das Buch Merkel endlich aufgeschlagen.Diese Frau ist genau so belastet wie der Gysi,bloß sie wird gedeckt oder erpresst.Die Frau hält es nicht für nötig den Spiegel den Linken vor zu halten.Die Akte Merkel muss jetzt auf den Tisch(wo ist die)z.B.Äppelmann konnte in der"DDR" kein Abi machen.Sie schon und das ohne Jugendweihe,wenn man die Wendezeit bei ihr ansieht dann kommen immer mehr Fragen auf.Schnur und noch viele mehr haben damals den Schritt nach vorn gemacht und sie auch,bloß sie hat es bis heute geschafft nicht enttarnt worden zu sein.Für mich ist ihr Verhalten sehr undurchsichtig das muss aber anders werden.Selbst wenn die CDU keine Ersatz hat aber so eine Kanzlerin ist nicht tragbar.

    Die Linke wäre schon von Boden verschwunden wenn die Merkel nicht wäre,meine Hoffnung das in diese Richtung Gauck was bewegt.

    Zu Klarsfeld,die hat sich nur auf stellen lassen,damit sie noch von Deutschland das Bundesverdienstkreuz bekommt.Wer im laufe der letzten 20 Jahre und dies noch von Frankreich aus,nicht begriffen hat das eine nicht unerhebliche Zahl an Mitgliedern/Anhängern der Linken nur ein Mäntelchen übergezogen haben aber sonst gleichwertige Verbrecher(Stasi/IM) begangen hat wie NS Leute.Sie sollte mal weiter machen die Opfer der"DDR"würden ihr es sehr danken

  • KH
    Karl Heinz Ebler

    Herr Gauck ist ein ehrenwerter Mann.Als Stasieakten=

    verwalter hat er seine Arbeit gut verrichtet.Mein Dank!

    Leider wurde er als Bundespresidentenkanditaten beim

    erstenmal mißbraucht als Gegenkanditaten.Dieses mal als

    Keule von der FDP gegen die CDU-Merkel benutzt um ein=

    mal gegen sie zu siegen.Schade,schade wie fies und mies

    unsere Politiker sind.

    Da lobe ich doch Frau Beate Klarsfeld.Sie hat sofort erkannt das der Mob vor Kriegsende der gleiche nach

    dem Kriegsende ist.Darum schritt sie auch gleich zur

    Tat und fand diesen....."Herrn"Kiesinger.Mein Dank

    noch heute!

    Herr Gauck empfehle ich so schnell wie möglich ist

    Frau Beate Klarsfeld mit dem Bundesverdienstkreuz

    zu ehren.Sie war und ist die einzige Person die diese Ehrung bis heute aus politischer Sicht verdient hat.

  • L
    lowandorder

    '…und staunend liest's der anbetroffene Chef'.

     

    Die vereinigte Mitte/Rechts-Reaktion probt den Kiesinger/DDR-AMARSCH doch nur, damit ihr nicht der BRD-dotierte ' Schlächter von Lyon'  Klaus Barbie im Halse stecken bleibt!

     

    Und das gilt uneingeschränkt auch für NS-Reich=DDR und Nestbeschmutzer- Apologeten!

     

    Und der "Schießbefehl"? - ob es den realy?realy? - wirklich gab?

    Anyway! Wie ich mal einem für Mauerschützerprozesse zuständigen

    Richter sagte:" … ist doch scheißegal! Wer seine Waffe auf Dauerfeuer stellt,

    um zu verhindern, daß der Bürger eines Staates diesen verläßt, aus welchem Grund auch immer, ist ein Mörder! - Auch nach DDR-Recht und weiß das auch.

    Denkt nur, die Staatsmacht werde ihn schützen."

  • E
    end.the.occupation

    Es gibt auch Redaktionen, in denen Israel-Hörigkeit nicht als einzige Qualität zählt. Zum Beispiel im DLF:

     

    Alles andere, als gegen die herrschenden Verhältnisse

    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/1689821/

     

    Klarsfeld ist für die LINKE nicht weniger deplaziert, wie Gauck für die SPD.

     

    Mittlerweile gilt offensichtlich: Hauptsache rechts.

  • WS
    Walter Schmidt

    Beate Klarsfeld ist selbstverständlich jüdisch (durch Konversion), denn wie sonst könnten ihr Sohn Arno (der zudem israelischer Staatsbürger ist) sowie ihre Tochter Lida ebenfalls jüdisch sein?

  • DV
    Deutschland Verrecke

    Tja, das waren noch Zeiten.

    Madame Klarsfeld könnte dann ja mal Merkel eine scheuern oder will sie etwa der Massenmördern von der Tankstelle Kundus die Hand reichen? Dazu müßte es dann noch Geruchsfernsehen geben, mit Einblendung von 140 verbrannten, geschmolzenen Leichen.

  • GA
    Genosse Arsch

    Ablehnung, kein Wunder, der ehemalige KZ-Häftling Westerwelle steht ja auch für Staatenimmunität und damit für Legalisierung von NS-Verbrechen.

  • J
    Japesi

    "... Beate Klarsfeld ist diese staatliche Auszeichnung bis heute und ohne Begründung verweigert worden ..."

     

     

    Komisch mir auch. Und auch ohne Begründung!

     

    Die TAZ - das einzig wahre Satirmagazin!

  • A
    allezhop

    Ach, wären wir nur ein bisschen mehr Böll als Grass. Ach, würde Beate Klarsfeld nur Präsidentin werden

  • A
    Andrea

    Beate Klarsfeld sagte auf dem TV-Sender 3 SAT, das

    Joseph Fischer, die "Lichtgestalt" der Grünen, zusammen mit Westerwelle die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes in der Zeit als Aussenminister abgelehnt hatten.

     

    Beide Vorschläge kamen von der Partei Die Linke, das Bundesverdienstkreuz an Frau Klarsfeld zu verleihen.

     

    Gleichzeitig muss ich als jahrelanger Grünen-Wähler feststellen, das uns der Grünen-Parteivorstand einhellig mit der politischen Rechten im Land, den "Heiland" Gauck anpreist, eben jenen Mann, der als "Bürgerechtler der letzten Sekunde" unsere Demonstrationen für Bürgerrechte, Demokratie und soziale Rechte, gegen das Banken-Unwesen, gegen verstärkten Neofaschismus etc. diffamiert und den Demagogen Sarrazin "mutig" findet.

     

    Heute muss man sich als Grüner schämen, solche Politik mitzutragen, nachdem mir von Gauck und den Grünen schon Kriegseinsätze in aller Welt als notwendig "schmackhaft" gemacht werden sollen für die Freiheit.

     

    Das endlich übrigens Frauen als Bundespräsidentenkandidatin vorgeschlagen werden, finde ich begrüssenswert:

    Beate Klarsfeld, Luc Jochimsen, Uta Ranke-Heinemann - übrigens wieder alles Kandidaten der Partei Die Linke.

    Wo bleiben die Frauen-Vorschläge der Grünen?

  • GH
    gerd hausmann

    Frau Klarsfeld muß sich fragen lassen, ob sie jetzt auch z.B. einen Herrn Bisky ohrfeigen würde. Sein Level an Verstrickung in das SED-Regime sollte in etwa der Kiesingers in das Nazi-Regime entsprechen. Dazu hat Bisky vor wenigen Jahren angezweifelt, dass ein Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze überhaupt bestanden hätte, analog zu alten Nazis, die nie eingesehen haben, welchem Regime sie gedient hatten.

     

    Frau Klarsfeld hat meine Hochachtung für die Verfolgung ungestraft davon gekommener NS-Täter. Konsequenterweise müßte sie jetzt aber bei den SED-Tätern weitermachen und sich nicht als Kandidatin der Nachfolgeorganisation aufstellen lassen.

    • EB
      el bundi
      @gerd hausmann:

      Frau Klarsfeld hat vieles richtig gemacht, schade nur, dass sie auf dem linken Auge blind ist...

  • S
    sigibold

    Diese Frau möchte ich auf keinen Fall als Kanzlerin.

     

    sigibold

  • T
    Thomas

    Ich kann in Worten gar nicht ausdrücken, wie sehr ich diese Frau verachte. In den 60iger Jahren hatte man schon Recht, diese Art Frau als Nestbeschmutzerin zu bezeichnen. Schämen sollte man sich für Beate Klarsfeld und nicht bewundern!

  • M
    Markus

    Klarsfelds Lebenswerk ist wirklich nicht zu verachten. Die Frau hat echt Mut.

     

    Ihre problematische Einstellung zum Rechtsstaat und ihre unausgewogene Einstellung zum Nahostkonflikt stimmen dennoch bedenklich.

     

    Schließlich will man als Bundespräsidentin eine Frau, die in der Lage wäre, Konflikte gewaltfrei zu lösen und sich in Menschen aller Nationen hineinfühlen kann.

     

    Für das Bundesverdienstkreuz denkt sie vielleicht zu ideologisch.

     

    Eine universelle Präsidentin wäre besser :)

  • JB
    Jan B.

    "Das mag Konsens bei all den Parteien sein, die den Kandidaten Joachim Gauck unterstützen. Doch deren Anhänger werden sie nicht wählen."

     

    Ganz sicher nicht. Antisemitismus ist allen deutschen Parteien ein großes Problem. Und dass es auch bei CDU, SPD, Grünen und FDP mit der Solidarität mit Israel nicht allzuweit her ist, hat auch die einstimmige Verutreilungs Israels wegen dem vermeitlichen "Massaker" auf der Gaza-Flotille gezeigt. Vielleicht mag der Autor Martin Hohmann und Jürgen Möllemann vergessen haben, andere haben das nicht. Man muss der Linkspartei eigentlich schon wieder zugestehen, dass diese Problematik im Gegensazu zu den anderen Parteien überhaupt thematisiert wird.