Pornos im Internet: Das Geschäft mit der Peinlichkeit
Viele Internetnutzer wurden abgemahnt, weil sie sich angeblich Sexvideos im Netz angesehen haben. Ist Streaming in Deutschland verboten?
Massenabmahnungen sind ein einträgliches Geschäft. Was es dafür braucht: einen Rechteinhaber, eine Software und einen Anwalt – und den längeren Atem. Die aktuelle Welle der Abmahnung von Nutzern des Pornoportals Redtube ist das perfekte Beispiel dafür, warum es bei Abmahnungen nicht in erster Linie um die Einhaltung von Recht, sondern vor allem um schnöden Mammon geht – und nicht nur um Porno, sondern auch um alle möglichen anderen Streamingportale.
Post von einem Anwalt: Sie haben etwas Verbotenes getan, haben eine Urheberrechtsverletzung begangen. Sie haben auf einer Seite ein Video angeschaut, an dem das Portal keine Rechte besaß. Wir haben Ihre IP-Adresse. Sie waren an einem bestimmten Datum zu einer bestimmten Uhrzeit auf einer bestimmten Website und haben vermutlich wild onanierend Pornos betrachtet. Zahlen Sie jetzt 250 Euro – davon 15,50 Euro für den Urheberrechtsverstoß, 65 Euro für unsere Nachforschungen und den Rest als Anwaltsgebühren – und wir vergessen die Sache. Ansonsten sehen wir uns vor Gericht.
Die Abmahn-Idee folgt einem einfachen Gedanken. Wenn Nutzer einen Film schauen, wird dieser auf dem Endgerät zwischengepuffert. Und damit, so die Abmahner, vervielfältigt – was nicht legal wäre. Ob das juristisch stimmt, ist umstritten: ob die technisch notwendige Kopie, Computer kopieren die ganze Zeit Daten in verschiedene Speicherbereiche, wirklich eine Vervielfältigungshandlung im Sinne des Urheberrechts ist, ist an keinem der höchsten Gerichte ausgeurteilt worden. Das bedeutet Rechtsunsicherheit, das Risiko, vor Gericht zu verlieren. Dabei spricht einiges dafür, dass die Chancen für Betroffene nicht schlecht stünden.
Was bleibt, wenn ein Mensch stirbt? Viele schöne Geschichten. Die sonntaz erzählt sie - in der taz.am wochenende vom 21./22. Dezember 2013 . Wie der Autor Wolfgang Herrndorf in seinen Helden weiterlebt, Maggie Thatcher Drinks mixte und Ottmar Walter Tankwart wurde. Und: Ein Gespräch mit Inge Jens über den Neuanfang nach dem Tod von Walter Jens. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Wie kommen die Anwälte zu den Nutzern? Das ist eines der großen Rätsel dieser Abmahnwelle. Dass die Anbieter ihre Zugriffsprotokolle herausgeben, ist unwahrscheinlich. Bei herkömmlichen Abmahnungen wurden spezialisierte Firmen damit beauftragt, in Tauschbörsen nach Nutzern zu gucken, die dort illegal Dateien tauschten.
Abgemahnt wurde das Hochladen
Der Hebel der Anwälte: Wer in Tauschbörsen etwas herunterlädt, lädt es zumeist auch gleichzeitig, zumindest teilweise, wieder hoch. Das ist das Grundprinzip der meisten Peer-to-Peer-Tauschbörsen. Abgemahnt wurde nicht das Herunterladen, sondern das Hochladen.
Mit der weltweit einmaligen Internetprotokolladresse, der IP, gingen die Rechtsanwälte dann zu einem Gericht, um dort – meist im Dutzend oder Hunderterpack – von den Internetzugangsanbietern die Zuordnung von IP-Adressen zu echten Personen zu erhalten.
Die IP zum Zeitpunkt, zu dem eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, wird einem Anschlussinhaber zugeordnet. Und der wird dann abgemahnt. Dass das alles technisch korrekt vonstatten ging und dass der Abmahnende auch wirklich die Rechte besitzt, ist die Voraussetzung. Sieht alles plausibel aus, winken die Gerichte die Anschlussinhaber-Auskunft meist durch.
Einige Gerichte, wie das Landgericht Köln, in dessen Zuständigkeitsbereich die Deutsche Telekom mit ihren vielen Kunden liegt, stöhnen seit Jahren über die Überlastung durch das Abmahnwesen. Nur: Bei den Streamingportalen gibt es keine direkte Zugriffsmöglichkeit auf die IP-Adresse des Betrachters, wenn man nicht selbst der Betreiber ist. Hier gibt es derzeit nur wilde Spekulationen darüber, wie die Abmahner an die Adressen gelangt sind. Vielleicht lenkte das Landgericht Köln auch deshalb am Freitag ein – das Recht der Betroffenen könnte durch die Auskunftserteilung verletzt worden sein.
Viele zahlen einfach
Der Abgemahnte erfährt erst mit der Abmahnung davon, dass ihm etwas vorgeworfen wird – und auch, dass seine Daten vom Gericht zur Herausgabe angeordnet wurde. Das ist der Zeitpunkt, an dem die Anwälte mit der Tür ins Haus fallen und die anscheinend günstige Option des „Zahlen Sie, wir sind uns unserer Sache todsicher, sonst wird es für Sie nur teurer“ anbieten. Und viele tun, was sich die Abmahner wünschen und hoffen, dass das Problem wieder verschwindet.
Schreiben dieser Art erhielten in den vergangenen Wochen wohl Tausende Pornozuschauer in Deutschland. Nun ist es keineswegs verboten, sich im Netz Pornos anzuschauen und die Tastatur zu verkleben. Aber es wäre verboten, Filme, an denen man keine Rechte besitzt, anderen zur Verfügung zu stellen oder sie zu vervielfältigen. Die Betreiber der Plattformen, die eigentlich für die Rechteklärung verantwortlich sind, sitzen meist nicht in Deutschland. Aber die Nutzer.
Das Urheberrecht verbietet auch den Download aus einer „offensichtlich rechtswidrigen Quelle“. Das klingt einfach, ist aber gerade bei den Pornoseiten gar nicht so leicht: Die frei zugänglichen Streamingportale haben für Filmfirmen eine gute und eine schlechte Seite. Auf der einen Seite verbreiten sie teilweise illegal Inhalte, an denen sie keine Rechte haben.
Anderes ist ganz legal dort: Lockfilme, mit denen Nutzer in andere, kostenpflichtige Portale mit noch mehr Inhalte gegen Kreditkartenbelastung geholt werden sollen. Die legal zur Geschäftsanbahnung dort stehenden Filme profitieren davon, dass möglichst viele Nutzer auf die Seiten gehen. Für die Nutzer ist kaum ersichtlich, ob Inhalte auf solchen Plattformen legal oder illegal stehen.
Der aktuelle Testfall weist eine Besonderheit auf: Pornokonsum ist ein individuelles Geheimnis. Niemand geht deshalb gern zum Anwalt – und schon gar nicht gern vor Gericht. Das nutzen die Abmahner aus und testen hier neue Graubereiche des Rechts. Jeder, der einfach unterschreibt und zahlt, ist gut für sie. Und finanziert damit gleich die nächste Abmahnwelle – dann vielleicht wegen anderer Filme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?