Porno-Serie auf taz.de (I): YouPorn und die Sexfilm-Industrie
Einst war die Porno-Industrie Innovationstreiber, heute ist sie zum großen Teil ideenloser Kulturfolger. Mitmach-Netz und Porno-Industrie passen nicht wirklich zusammen.
Die Idee war so einfach wie erfolgreich: Als die Videobörse YouTube an Fahrt gewann und Ende 2006 für den spektakulären Kaufpreis von 1,65 Milliarden US-Dollar an Google verkauft wurde, startete parallel auch die Seite "YouPorn" - eine Videobörse alleine für Pornofilme. Wie beim großen Vorbild sollten hier die Nutzer das Programm bestimmen, statt kommerzieller Hochglanz-Silikon-Pornos ihre eigenen Schlafzimmer-Videos ins Netz hochladen.
"Warum zeigen immer mehr Menschen ihre privaten Sexfilme im Internet?" fragte die Bild damals - und sorgte damit bei dem jungen Unternehmen für eine Zwangspause: Das junge Unternehmen konnte die Rechnungen für den Internet-Verkehr nicht mehr bezahlen, erst mit neuen Anzeigen-Kunden konnte das Portal wieder online gehen.
Heute ist YouPorn eine feste Größe. Zwar gibt es kaum zuverlässige Zahlen, aber der Analyse-Anbieter Alexa.com führt die Seite auf Platz 51 der weltweit meist besuchten Seiten - in Deutschland rangiert die Porno-Seite sogar auf Platz 24. Da es hierzulande faktisch illegal ist, kostenlos Pornofilme zu verbreiten, hat YouPorn die deutsche Konkurrenz kaum zu fürchten.
Mit einer echten Community hat das Portal hingegen nichts zu tun. Zwar wimmelt es überall von angeblichen Amateur-Pornos - unter fast jedem Video prangt aber ein Link zu einer Bezahl-Seite, auf der man Videos mit den gleichen Darstellern kaufen kann.
"Amateur" ist ein wieder entdecktes Werbeversprechen der Porno-Industrie: Wie einst der Schulmädchen-Report über die vermeintlichen Umtriebe junger Frauen aufklärte, zeigt YouPorn nun die kommerzielle Version des privaten Sex. Zeigefreude ist aber kaum ein Grund sich an YouTube zu beteiligen – hier geht es schlicht um das schnelle Geld.
Das macht sich auch bei den Filmen bemerkbar. Ob nun ein "college girl", "MILF" oder „Big Tit Wife“ - gezeigt wird fast immer das selbe Basisprogramm: Ein paar Minuten Oralverkehr, dann drei bis acht verschiedene Stellungen, dann der möglichst sichtbare Samenerguss. Dazwischen gibt es Lesben-Sex für Hetero-Männer und einige Masturbations-Videos.
Der direkte Vergleich mit dem Vorbild YouTube offenbart, wie sehr sich die Onlinepornoindustrie vor dem eigenen Nutzer fürchtet. Zwar existiert auf dem Porno-Portal noch ein Formular, mit dem jeder eigene Filme hochladen kann. Um auf die Startseite zu gelangen, muss man aber wohl erst ein Werbeabkommen mit den anonymen YouPorn-Betreibern abschließen.
Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Nutzer beschränken sich darauf, die einzelnen Videos anzuklicken - kommentieren darf man die Videos auf der Seite nicht.
Anfang 2008 hatte YouPorn seinen Nutzern eine Kommentar-Funktion spendiert. Da die Seite daraufhin von unappetitlichen und rassistischen Kommentaren überflutet wurde, schaltete YouPorn die Kommentare wieder ab. Besonders freizügige Nutzer können über Facebook verbreiten, welche Pornos sie sich gerade ansehen – das war es aber auch schon mit den Mitwirkungsmöglichkeiten.
Dafür gibt es aber jede Menge kostenpflichtiger Angebote. Ob man Videos nun in HD-Qualität oder eine Live-Show sehen will – der Voyeur soll möglichst schnell zum zahlenden Kunden werden. Besonders genau nimmt es YouPorn mit seinen Werbepartnern aber nicht: So schwindelt der US-Dienst „Adultfriendfinder“ dem Nutzer vor, dass in seiner Nachbarschaft gleich Dutzende attraktiver Frauen über den US-Service Partner für den schnellen Sex suchen. Dass die Bilder in Wahrheit aus einem US-Bilderkatalog kommen, erfährt man erst aus dem Kleingedruckten.
Und dass das Angebot notgeiler junger Studentinnen in deutschen Kleinstädten doch sehr beschränkt ist, erfährt der Kunde erst, wenn er seine Kreditkartennummer angegeben hat. Doch die Porno-Industrie hat schon immer Illusionen verkauft, menschliche Nähe oder Partnerschaftsberatung suchte man schon immer besser an anderen Orten.
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