Porky day zwischen Ost- und Nordsee: Artenschutz für Schweine-Esser
In Kantinen, Kita- und Schulküchen soll Schweinefleisch auch in Zukunft auf dem Speiseplan stehen. Das fordert Schleswig-Holsteins CDU ein.
Die Christdemokraten reagieren auf Berichte von Kantinen, die ganz oder teilweise auf Schweinefleisch verzichten – sei es, weil ihre Kunden Vegetarier, Veganer oder Moslems sind. Unter anderem war die Sprecherin der Stadt Flensburg, Berit Erichsen, mit der Aussage zitiert worden: „In Flensburgs Kitas und Grundschulen gilt ein Schweinefleischverbot.“
Das sei nicht richtig, dementiert Erichsen. „Es gibt bei einigen Kitas und bei einigen Grundschul-Caterern einen freiwilligen Verzicht“, sagt sie. Nur zwei von elf städtischen Kitas servierten kein Schwein, unter anderem weil eine Köchin Schwein für ungesund halte. Ein Caterer vereinfache seine Planung, indem er von vornherein auf Schwein verzichte.
Birgt Braun von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bestätigt eine „ganz leichte Entwicklung in den Schulen, wo der Migrationsanteil höher ist und wo sie häufig essen“: Dort trete das Schweinefleisch zugunsten anderer Fleischsorten in den Hintergrund. Das treffe vor allem auf bestimmte Viertel in Großstädten zu. „Auf dem Land ist es überhaupt kein Thema“, sagt sie.
Der Pro-Kopf-Verbrauch von Schweinefleisch ist zwischen 2011 und 2014 in Deutschland von 54,6 auf 53 Kilogramm zurückgegangen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) weist in ihren aktualisierten Empfehlungen darauf hin, dass Fleisch von Rind und Schwein das Risiko für Dick- und Mastdarmkrebs erhöht.
Das Klima belasten Schweine und Hühner dagegen weitaus weniger als Rinder, Schafe und Ziegen.
Der CDU-Antrag beginnt mit dem Satz: „Die Landesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass Schweinefleisch auch weiterhin im Nahrungsmittelangebot sowohl öffentlicher Kantinen als auch in Kitas und Schulen bleibt.“
Der Antrag endet mit dem Hinweis: „Toleranz bedeutet in einer pluralistischen Gesellschaft auch die Anerkennung und Duldung anderer Esskulturen und Lebensweisen.“
Für ähnlichen Aufruhr hatten 2013 die Grünen mit ihrer Forderung nach einem „Veggie Day“ in Kantinen gesorgt: einem fleischfreien Tag pro Woche.
Die CDU betont, sie setze auf gesunde und ausgewogene Ernährung. „Dazu gehört in unserer Kultur auch der Verzehr von Schweinefleisch“, sagt Fraktionschef Daniel Günther. Wer Schweinefleisch nicht essen wolle, müsse das nicht tun. Es solle aber auch nicht die Mehrheit auf Schwein verzichten müssen.
Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) teilt diese Meinung, warnt aber davor, die Diskussion rechtspopulistisch aufzuladen. „Gründe für die Einschränkung des Menüplans sind aus unserer Sicht weniger die religiösen Vorbehalte, sondern die finanziellen.“ Für ein Budget von zwei Euro sei das Schweinefleisch schlicht zu hochwertig.
Birgit Braun von der Vernetzungsstelle findet das Thema „ein bisschen zu hoch aufgehängt“. Die DGE empfehle für die Kantinen höchstens zweimal pro Woche Fleisch. Das könne auch Geflügel, Rind oder Lamm sein, so dass Schwein schon per se kaum auftauche. „In den Schulen, wo das Schweinefleisch rausgenommen wird, wünscht das die Mehrheit“, sagt sie.
„Wenn es muslimische Kinder in der Kita gibt, dann kann man ihnen kein Schweinefleisch anbieten“, findet Markus Potten, Geschäftsführer des Verbandes Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein. Auch einem Kind mit einer Lactose-Allergie würde doch keiner aus Gründen der Esskultur Milch und Käse aufzwingen.
Agrarminister Robert Habeck (Grüne) sagte: „Staatlichen Handlungsbedarf kann ich nicht erkennen. Und schon gar nicht teile ich die Verkürzung unserer grundgesetzlichen Werte auf die Pflicht, Kotelett oder Hack zu essen.“
Und SPD-Landeschef Ralf Stegner ätzte: „Wenn die CDU jetzt schon eine Debatte über Ideologie am Beispiel eines ‚Pork-Day‘ in öffentlichen Kantinen führen möchte, zeigt das, dass die Krise der Christdemokraten im Norden doch größer ist, als ich dachte.“
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