Polnische Fußballerin über Frauenfußball: „Ich musste mal raus“
Tanja Pawollek stammt aus der Nähe von Frankfurt, spielt für die Eintracht, hat in der U19 für den DFB gespielt. Bei der EM ist sie für Polen aktiv.
taz: Tanja Pawollek, Sie sind in Deutschland geboren, spielen für Polen. Wie denken Sie über die Konstellation?
Tanja Pawollek: Mit meinem Hintergrund ist das ein ganz besonderes Spiel. Das war jeden Tag ein Thema, auch bei den Lehrgängen in Polen. Ich habe in den U-Nationalmannschaft ja stets für Deutschland gespielt …
taz: …und Sie waren 2019 unter Martina Voss-Tecklenburg im Trainingslager der DFB-Auswahl dabei. Wie kam der Sinneswandel zustande?
Pawollek: Generell hatte ich schon lange Kontakt zum polnischen Verband. Sie haben immer mal wieder gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, auch für Polen zu spielen. Es ist dann irgendwann zu einem intensiveren Austausch gekommen.
26, wurde in Obertshausen bei Frankfurt geboren. In der Bundesliga spielte sie neun Jahre beim 1. FFC Frankfurt, später Eintracht Frankfurt. In der kommenden Saison spielt sie für den FC Union Berlin.
taz: Welche Rolle haben Ihre Eltern dabei gespielt?
Pawollek: Sie sind beide in Polen geboren. Natürlich spielt das mit hinein: Wir waren jeden Sommer, jeden Winter in Polen. Ich habe dort Oma und Opa, Tanten und Cousinen. Ich fühle mich sehr verwurzelt mit dem Land, ich spreche die Sprache fließend und verstehe alles. Sonst fühlte man sich auch nicht richtig integriert. Das hat mir die Entscheidung leichter gemacht.
taz: Polen hat Deutschland in zwei EM-Qualifikationsspielen teils gut geärgert. Machen Sie das wieder?
Pawollek: Nach der Auslosung mussten wir alle schmunzeln. Generell wollen wir mit dem polnischen Team Spaß haben. Wir haben gar nichts zu verlieren. Bei uns wird zwar die Aufregung groß sein, aber der Druck liegt ganz klar bei Deutschland. Für uns ist toll, dass wir jetzt zum ersten großen Turnier in der Geschichte Polens fahren. Es hat doch niemand damit gerechnet, dass wir Gegner wie Österreich in der EM-Qualifikation schlagen. Jetzt wollen wir auch bei der EM überraschen.
taz: Was hat sich im Frauenfußball in Polen getan?
Pawollek: Es gab in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung. Der Frauenfußball in Polen befindet sich im Aufwind, die U-Nationalmannschaften sind regelmäßig bei Turnieren dabei und feiern Erfolge (U17 als EM-Dritter 2024; Anm. d. Red.). Mittlerweile ist fast jede Nationalspielerin in einer Topnation aktiv. Wir haben richtig gute Talente. Der Verband tut einiges, um die Bedingungen zu verbessern: Die Arena in Danzig ist jetzt unser Heimstadion geworden. Es herrscht eine Aufbruchstimmung.
taz: Polen ist neben dem DFB favorisierter Mitbewerber um die Ausrichtung der Frauen-EM 2029. Warum sollte das Turnier in Polen stattfinden?
Pawollek: Wir hatten uns auch für diese EM beworben, was dann nicht geklappt hat. Polen ist infrastrukturell gut aufgestellt, hat tolle Stadien. Die Zeiten sind vorbei, dass die Menschen sagen, sie hätten keinen Bock auf Frauenfußball. Eine EM in Polen wäre eine gute Sache.
taz: Ihrer Torjägerin, Ewa Pajor vom FC Barcelona, stand nach der EM-Qualifikation mit Tränen auf dem Rasen.
Pawollek: Der Moment war sehr emotional. Man hat gerade bei ihr gemerkt, wie viel ihr das bedeutet. Sie ist ein toller Mensch und eine richtig gute Fußballerin – für mich ist sie eine der besten Stürmerinnen der Welt. Sie hat Vorbildfunktion für uns alle.
taz: Sie haben lange mit Jungs bei der SG Rosenhöhe, einem für seine gute Jugendarbeit bekannten Verein in Offenbach, zusammengespielt. Warum hat Ihnen das geholfen?
Pawollek: Das Spiel ist schneller und physischer, man muss sich auf eine ganze Art durchsetzen. Ich habe gelernt, die Ellbogen auszufahren. Wenn die Jungs merken, dass man gut kicken kann, wird man auch akzeptiert.
taz: Sie haben sich als Kapitänin von Eintracht Frankfurt entschlossen, zum Bundesliga-Aufsteiger Union Berlin zu wechseln, wo sie als Königstransfer gelten. Was gab den Ausschlag für diesen Schritt?
Pawollek: Grundsätzlich habe ich sehr lange überlegt. Möchte ich bleiben oder etwas Neues probieren? Ich bin 26 und war neun Jahre bei der Eintracht. Frankfurt ist mein Zuhause, meine Eltern wohnen nur 20 Minuten weg. Ich muss aber einfach mal aus meinem Nest raus – und was Neues erleben. Ich möchte mich sowohl charakterlich als auch fußballerisch noch einmal weiterentwickeln. Union hat in der vergangenen Saison unglaublich viel Leidenschaft und Zusammenhalt gezeigt – genau das reizt mich. Ich freue mich darauf, mit dem Team in der Bundesliga anzugreifen.
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