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Polizisten klagen gegen KennzeichnungDer Schilder-Kampf geht weiter

Vier Polizeibeamte ziehen mit Musterklagen gegen die Kennzeichnungspflicht vor Gericht. Gewerkschaft der Polizei unterstützt sie - notfalls bis zum Verfassungsgericht.

Schöne Bescherung: Polizisten mögen das Namensschild nicht Bild: dpa

Mehr als 30 Jahre lang haben Gewerkschaften und Personalräte der Polizei erbitterten Widerstand gegen die Einführung der Kennzeichnungspflicht geleistet. Eigentlich müssten sie nun öffentlich eingestehen: Der Kampf ist verloren. Denn seit dem 25. Juli sind in der Polizeibehörde kleine silberne Schildchen in Umlauf, die jede Polizistin und jeder Polizist fortan an der Uniform tragen muss. Aber die Gewerkschaft der Polizei (GdP) gibt nicht auf. Vier Polizisten würden stellvertretend für ihre Kollegen gegen "die Zwangskennzeichnung" klagen, kündigte der GdP-Landeschef Michael Purper am Dienstag an. Es dürfte ein langer Rechtsstreit werden.

Berlin ist das erste und bislang einzige Bundesland, das seine Polizisten zum Tragen von Namens- beziehungsweise Nummernschildern verpflichtet. Die entsprechende Geschäftsanweisung war noch vom früheren Polizeipräsidenten Dieter Glietsch erlassen worden. Eigentlich ist sie schon seit Anfang des Jahres in Kraft, umgesetzt wird sie aber erst seit Ende Juli, weil die Beschaffung der Schilder so lange gedauert hat. Auch jetzt sind noch nicht alle der rund 13.000 Uniformträger ausgestattet. Die letzten, die an der Reihe sind, sind die Angehörigen der geschlossenen Einheiten. In ihrem Fall geht es um eine Spezialanfertigung auf Stoff in Form einer fünfstelligen Nummer, die am Einsatzanzug auf Brust und Rücken angebracht wird. Normale Streifenbeamte hingegen bekommen zwei silberne Schildchen - eins mit ihrem Namen und eins mit einer fünfstelligen Nummer. Mit welchem sie sich dem Bürger präsentieren, ist ihnen selbst überlassen.

Die vier Kläger aus den Reihen der Polizei - "unsere Top vier", wie GdP Chef Purper sagte - standen den Journalisten am Dienstag auf der GdP-Pressekonferenz Rede und Antwort. Über ihre Identität verrieten sie nur so viel: Sie seien zwischen 35 bis 49 Jahre alt, auf Abschnitten der Direktionen 3 und 4 sowie beim Verkehrsdienst tätig. Zwei von ihnen trugen an ihrem blauen Uniformhemd das besagte Silberschildchen mit einer schwarzen, fünfstelligen Nummer. "Die GdP ist auf uns zugekommen", sagte einer. Die Zwangskennzeichnung werde vom Gros der Kollegen abgelehnt. Die meisten Kollegen trauten sich aber nicht, sich zu wehren. "Sie haben Angst, nicht befördert zu werden." Es sei schon genug damit, dass man am 1. Mai in Kreuzberg und bei ganz alltäglichen Einsätzen gegen häusliche Gewalt und gewalttätige Jugendliche ständig den Kopf hinhalte, sagte der Beamte mit der Nummer 19214. "Aber ich habe keine Lust, mich zum gläsernen Bürger machen zu lassen." In Zeiten der elektronischen Medien biete auch eine Nummer keinen Schutz der Privatsphäre. Die Kollegen befürchteten Nachstellungen von Kriminellen und hätten Angst um ihre Familien.

Der Justiziar der GdP, Joachim Tetzner, kündigte an, die Klage durch alle Instanzen bis hin zum Verfassungsgericht zu treiben. Es gehe darum, endlich Klärung herbeizuführen. Immerhin stehe das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf dem Spiel. Die Chance für die GdP, das Verfahren zu gewinnen, schätzte er auf "50 zu 50". Purper verwies darauf, dass die Deutsche Bahn es einigen Zugbegleitern erlaube, auf ihren Namensschildern ein Pseudonym zu verwenden. Als Plädoyer für die Nummer wollte er das allerdings nicht verstanden wissen.

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16 Kommentare

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  • H
    heinzgerd

    realschulabschluss ist heute die mindestvoraussetzung für den polizeidienst. das war aber längst nich immer so. das "studium" der polizei ist auch soweit ich weiß ein dreijähriges an speziellen staatlichen fachhochschulen...möglich dass ich mich da ziemlich weit aus dem fenster lehne, aber ich behaupte mal, das ist mit einem "normalen" studium nur bedingt vergleichbar, sowohl was umfang und inhalte der ausbildung angeht. wenn man dann auch noch bedenkt dass so verdiente beamte wie der folteranweisungsgeber in hessen da für die lehre verantwortlich sind...prost mahlzeit -.- und einige polizisten benehmen sich auch gerne mal so als hätten sie weder lesen noch schreiben geschweige denn andere zwischenmenschliche grundkompetenzen wie freundlichkeit und empathie gelernt.

  • S
    Sebastian

    Polizist ohne Schulabschluss - Ha ha, Sie haben ja Vorstellungen.

    Ich für meinen Teil habe, wie auch ein großer Teil der Kollegen studiert. Mindestvoraussetzung für eine Laufbahn als Polizeibeamter ist ein Realschulabschluss...

     

    Dennoch kann ich die Bedenken gegen eine Kennzeichnung mit einer individuell zuordnbarer Nummer nicht wirklich nachvollziehen. Im Gegenteil, ich denke das dies eine, die Transparenz und Bürgernähe fördernde Maßnahme ist. Eine persönliche Gefährdung allein durch die Nummer will mir nicht einleuchten. Von dieser auf den Namen oder gar die Anschrift des Beamten zu schließen dürfte für außenstehende unmöglich sein.

  • C
    Cindy

    Die Polizisten haben doch nur Angst, dass sich eines ihrer Opfer an ihnen und ihren Familien rächt. Angesichts der Berliner Justiz ist Rache(Selbstjustiz) aber oft der einzige Weg zur Gerechtigkeit. Nicht schön, ist aber so.

    Die 4 Polizisten, welche Klagen, werden hoffentlich bald an die Luft gesetzt. Solche Leute haben im Staatsdienst nichts verloren.

  • W
    wott

    Bundeswehr-Soldaten tragen seit Jahrzehnten Namensschilder ohne zu jammern. Wenn die Kläger Erfolg haben, müssten auch alle (Privat-)Personenbezogenen Autokennzeichen etc. abgeschafft werden. Die Kennzeichnungspflicht gehört längst in die Polizeigesetze geschrieben und nicht nur in eine Verwaltungsvorschrift. Kennzeichenmissbrauch muss dann wie bei Autokennzeichen ein Straftatbestand werden, sonst werden die kriminellen Polizisten einfach Ihre Kennzeichen überkleben. Jahrelang von 'Datenschutz ist Täterschutz' trällern und nun weinerlich werden? Wer sich nur ein wenig mit Polizeiarbeit oder Staatsanwaltschaften beschäftigt, der kennt sich mit wirklich kriminellen Vereinigungen schon recht gut aus. Die Kennzeichnung kann nur der erste Schritt sein, wichtig ist vielmehr unabhängige und effektive rechtliche Kontrolle von Polizei, Staatsanwaltschaft und 'Geheimdiensten' wie unter anderem von UN und EU seit Jahrzehnten gefordert.

  • B
    Boumedienne

    Die Polizisten klagen, weil sie Angst haben ? Dann sucht euch doch einen anderen Job !!! All diese ehemaligen "Milchholer" vom Pausenhof, die diesen Beruf nur ausgesucht haben, um Macht zu haben, und es jedem, der falsch guckt, "richtig geben zu können", tun jetzt so, als würden sie ihr Leben riskieren...wenn mir mein Job nicht gefällt, oder er mir zu gefährlich wird, suche ich mir einen anderen Job und fange nicht an, zu klagen. Wir leben in Westeuropa und nicht in Schwarzafrika, was bedeutet, dass wir einen grossen Arbeitsmarkt haben - es dürfte für einen Polizisten, auch ohne Schulabschluss, kein Problem sein, einen anderen Job zu finden...Sicherheitsmann, Türsteher, Müllabfuhr, Gefängniswärter....jeder Beruf ist besser, als ein "racaille en uniforme" zu sein...

  • E
    ElWiegaldo

    Erhellend!

     

    "In Zeiten der elektronischen Medien biete auch eine Nummer keinen Schutz der Privatsphäre."

     

    Die Polzei traut also ihrer eigenen Datensicherheit nicht.

    Toll.

    Aber alle unsere Telefongespräche speichern wollen.

     

    ElWiegaldo

  • M
    Martin

    Wiedermal bestätigt sich, dass man für so einen Job mit der Bezahlung nur minderwertiges Personal bekommt. Um es mit den Worten der CDU zu sagen : Wer nichts zu verbergen hat, ...

    Was unterscheidet einen Bürger ohne Uniform von einem Bürger mit Uniform ?

    Von dem Bürger in Uniform geht mehr Gewalt aus. Schon das Gewaltmonopol des Staates verlangt, dass die normalen Bürger vor gewalttätigen Übergriffen der Polizei usw. geschütz werden muß.

    Dass nun bei der Polizei gejammert wird zeigt klar die Überforderung einiger Beamten.

    Aus meiner Sicht muß in diesem Sauhaufen mit den Stahlbesen gereinigt werden. Wenn die ganzen Flachpfeifen raus sind, müßte das Gehalt mindestens verdoppelt und verdreifacht werden, damit wir dann leistungsfähiges Schutzpersonal einstellen können.

  • L
    Lars

    Lustig das die, die z.B. bei der Vorratsdatenspeicherung immer argumentieren, wer nichts zu verbergen hat hat nichts zu befürchten, das für sich selbst nicht gelten lassen wollen. Der Bürger will vielleicht genauso wenig gläsern sein. Und wie eien 5Stellige Nummer die Familie gefährden kann würde ich gerne mal erläutert haben. Hat da kein Journalist nachgehakt. Auch nicht wegen der Doppelmoral?? Wäre das nicht Eure Aufgabe gewesen???

  • M
    Mike

    Polizisten reden von gläsernen Bürgern.

     

    Das ist ein Scherz, oder? Immerhin sind es Polizisten, und fordern bei jeder Kontrolle sofort den Ausweis etc. unabhängig davon was man getan haben könnte.

     

    Und wenn Sie keine Eier in der Hose haben, hätten Sie keine Polizisten werden dürfen.

     

    Ich denke die haben einfach nur Schiss das ihnen fehlerhaft durchgeführte Maßnahmen den Job kosten könnten. Leider ist die Zeit des "Polizisten als Freund und Helfer" längst vorbei, wie man anhand von Klagen gegen Personen sieht, die beispielsweise Gepäckstücke zu spät im Fundbüro abgegeben haben. Daher ist diese Kennzeichnungspflicht mehr als legitim.

  • RS
    Randy Snookums

    Polizisten, die nichts zu verbergen haben, haben auch nichts zu befürchten.

  • RE
    Robert E.

    In Anbetracht der Körperverletzungen, die in manchen Fällen auch durch Polizeibeamte verübt werden, mag eine Nummer angebracht sein. Dazu muss aber auch gesagt werden, dass Polizeibeamte/innen in Deutschland mies behandelt werden. Sie sind massiv unterbesetzt, nur mittelmäßig ausgerüstet und bezahlt und Menschen die Straftaten gegen sie verüben werden nur geringfügig bestraft. So wird zum Beispiel seit längerem ein zusätzlicher Paragraph gefordert, der den Angriff auf Vollzugsbeamte empfindlicher sanktioniert - bisher konnte sich dies leider nicht durchsetzen. Hinzu kommt, dass viele Bürger die Polizei fälschlicherweise als eine Versinnbildlichung des Überwachungsstaates sehen und es an jeglichem Respekt mangeln lassen - da werden Maßnahmen bewußt untergraben, falsch dargestellt oder sogar behindert, weil es dem "mündigen Bürger" von heute nicht passt, dass er sich von der Obrigkeit, die nicht umsonst das Gewaltmonopol hält, etwas sagen lassen muss. Vielleicht wäre so mancher Polizist eher bereit, eine Nummer oder sogar seinen Namen zu tragen, wäre die Unterstützung in der Bevölkerung mal ein bisschen höher und würde man ihnen den Respekt gegenüberbringen, den sie für ihre schwierige Arbeit verdienen.

  • D
    DasBertl

    Darf ich mit der Aussage "Ich hab keine Lust mich zum gläsernen Bürger machen zu lassen" ab sofort auch meine Ausweispapiere verweigern, wenn ich von der Polizei danach gefragt werde? Schließlich kann man ja im heutigen Informationszeitalter....

  • R
    Rainer

    Erstaunlich, wenn die Polizei 100.000 Handyverbindungen verarbeitet und speichert (wie in Dresden) ist das Recht auf informelle Selbstbestimmung der Betroffenen nicht betroffen. Aber wenn Polizisten eine nur für die Polizei oder Staatsanwaltschaft schlüssige Nr. tragen sollen, ist diese Selbstbestimmung gefährdet? Ich glaube langsam nicht mehr an einen Rechtsstaat, wenn ich solche Aussagen von der Exekutive höre.

  • E
    EnzoAduro

    Ich finde es nicht in Ordnung das die Taz die Nummer von einem Polizisten hier publiziert. Einen Namen würde Sie ja auch nur mit Zustimmung nennen. wenn ich die 19XXX jetzt auf der Straße sehe, dann weiß ich gleich was der gesagt hat. Das ist nun wirklich nicht notwendig.

     

    Sowieso schlimm genug, das jeder Polizist nur eine Nummer erhält. Das ist auch überflüssig. Man hätte jedem auch 3 oder 4 Nummern geben können.

  • HD
    Hans Dampf

    Der Tetzner hats gerade nötig.... der vertritt seine Mitglieder so schlecht, dass sie reihenweise austreten.

  • N
    NaBoHi

    "Aber ich habe keine Lust, mich zum gläsernen Bürger machen zu lassen."

     

    Bei Demoteilnehmern ist es aber in Ordnung, dass Handydaten erfasst, Gesichter gefilmt, Demonstranten erkennungsdienstlich behandelt und durchleuchtet werden?

     

    Man kann ja für oder gegen den "gläsernen Bürger" sein. Da gestehe ich jedem seine eigene Meinung zu.

    Dann doch aber bitte mit der Konsequenz, bei allen Menschen den selben Maßstab anzulegen.