Polizeischüsse im Berliner Dom: Doch kein Messer?
Polizisten schießen auf einen Mann, der im Berliner Dom mit einem Messer randaliert haben soll und verletzten ihn schwer. Ein Video weckt Zweifel an ihrer Version.
Randalierende Person mit Messer“ – so hatte die Polizei ihre Pressemitteilung zu dem Vorfall im Berliner Dom überschrieben. Die Person, bei der es sich um einen 53-jährigen Österreicher handelt, war am vergangenen Sonntag von Polizisten durch Schüsse in die Beine schwer verletzt worden. Nun ist ein Video aufgetaucht, das die Darstellung der Beamten in Zweifel zieht. Ein Messer in der Hand des Österreichers ist in dem Film nicht zu sehen.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, bestätigte das am Freitag gegenüber der taz. Ein Messer sei auf dem Video „nicht so richtig zu erkennen“. Der Mann habe aber ein Messer gehabt, versichert Steltner. Denn: „Ein Messer wurde bei ihm in einer Tasche gefunden.“ Der Mann trug bei dem Vorfall ein T-Shirt und eine kurze Hose. Er liege immer noch im Koma und habe bisher nicht vernommen werden können, heißt es.
Ein Haftrichter hatte offenbar so große Zweifel an der Messerversion der zwei im Dom eingesetzten Polizisten, dass er es am Dienstag ablehnte, gegen den Österreicher Haftbefehl zu erlassen. Die Staatsanwaltschaft wollte, dass der Mann wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung inhaftiert wird. Zu viele Fragen seien offen, so Steltner.
Das Video, das im Netz zu finden ist, hatte eine Dombesucherin am Sonntag von der Empore aus aufgenommen. Die Bilder sind verwackelt, das Geschehen ist nicht in voller Länge zu sehen. Aber so viel wird klar: Als sich die beiden Beamten dem Mann mit vorgehaltenen Dienstwaffen nähern, steht der mit auf dem Rücken verschränkten Händen ruhig vor dem Altar. Auch in der nächsten Einstellung, als er einem der Beamten folgt, hat er die Hände auf dem Rücken. Dann tritt ihm der Beamte in den Bauch. Der Österreicher taumelt zurück. Dabei reißt er die Hände hoch – ein Messer ist nicht zu sehen.
Der zweite Beamte sprüht dem Mann von hinten Reizgas ins Gesicht. Daraufhin stürmt der auf den ersten Beamten zu und schubst ihn so, dass der fast umfällt. Die nächste Einstellung ist die letzte: Der Österreicher läuft in Richtung des anderen Beamten. Mitten im Lauf, er ist noch drei, vier Meter von dem Beamten weg, sackt er, von mehreren Kugeln getroffen, zusammen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann