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Polizeiprügel am 1. MaiStrafe für Knüppeleinsatz

Polizist wird für Stockschlag am 1. Mai verurteilt. Ein Kollege trat dem Opfer gegen den Kopf. Das Video von der Tat schlug im Internet hohe Wellen.

Sorgten für Empörung: Polizeischläge und -tritte gegen Dimitri S. Bild: screenshot youtube

Das Video verbreitete sich im Internet rasant: 1. Mai 2010, Spreewaldplatz in Kreuzberg. Auf wackligen Bildern ist festgehalten, wie ein Polizeitrupp auf eine Gruppe Dunkelgekleideter zurennt. Ein Demonstrant liegt am Boden. Ein Polizist stolpert über ihn, ein zweiter tritt ihm im Vorbeilaufen gegen den Kopf. Benommen bleibt der junge Mann liegen. Was das Video nicht zeigt: Bereits zuvor soll ein Beamter mit seinem Schlagstock den Gestürzten traktiert haben.

Am Mittwoch erfolgte die juristische Aufarbeitung des Falls vor dem Amtsgericht. Zu verantworten hatte sich André K., der mutmaßliche Schlagstock-Schläger. Er hatte bereits beim Prozessauftakt Ende November seine Unschuld beteuert und zuvor einem Strafbefehl wegen Körperverletzung im Amt widersprochen: Er habe den Schlag nur angedeutet, um den Gestürzten zum Aufstehen zu bewegen. Das Gericht glaubt ihm nicht. Es verurteilt K. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung.

Bereits kurz nach dem Übergriff lavierte André K. Befragt von Ermittlern, konnte er sich selbst auf Polizeibildern von der Tat nicht erkennen. Im Prozess dagegen schildert K. detailliert die wenigen Sekunden des Vorfalls. Der Gestrauchelte, Dimitri S., habe am Boden "eine Kampfhaltung" angenommen. Er habe befürchtet, S. könne "zutreten", so K. Er habe ihn aufgefordert aufzustehen, sei aber nur beleidigt worden. Da habe er mit seinem Tonfa, einem Schlagstock mit Quergriff, ausgeholt, diesen aber wieder zurückgezogen.

Dimitri S. widerspricht: Weder habe er K. beleidigt noch treten wollen. "Ich bin gestolpert und lag perplex am Boden." Den Schlagstock habe er gespürt und eine Rippenprellung davongetragen, so der 24-Jährige.

Ob es öfter vorkomme, dass Demonstranten sich auf den Boden würfen, um Polizisten zu attackieren, fragt die Anwältin von Dimitri S. "Durchaus", gibt André K. zurück. Kollegen springen ihm bei. "Der hat sehr gute Fähigkeiten am Tonfa, der ist kein Durchdreher", versichert einer. Der Richter ist nicht überzeugt: Der Beamte habe zuschlagen wollen. Ob er getroffen habe, sei aber unklar. Er verurteilt K. wegen versuchter Körperverletzung.

Schon verurteilt ist K.s Kollege Nico W. - der Kopftreter. Der 37-Jährige erhielt im Oktober 2010 einen Strafbefehl wegen Körperverletzung im Amt: acht Monate Strafe, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung. Er verzichtete auf einen Widerspruch.

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5 Kommentare

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  • E
    emi

    kommt halt drauf an, von wem die gewalt ausgeht, nicht wahr. offenbar sind die bürgerInnen hier gefährlicher und müssen entsprechend stärker sanktioniert werden als die polizei.

     

    gut zu finden ist dies allerdings nicht, da hier mit zweierlei maß angelegt wird.

  • KS
    kleiner Spinner

    Vergleichen wir es doch mal mit dem "Fall Brunner", z.B. http://www.taz.de/!57967/

  • I
    Icke

    Diese Strafen sind nicht akzeptabel! Der Tritt gegen den Kopf ist ein Angriff mit einer Waffe (gepanzerte Stiefel = schwere Körperverletzung) mit eindeutiger Tötungsabsicht oder zumindest "Inkaufnahme" einer Todesfolge also versuchter Totschlag bis versuchter Mord!!!! Das Urteil ist ein Hohn für alle von Polizeigewalt betroffenen!!!

  • M
    meierj

    Knüppel oder nicht sei mal dahingestellt. Ich bin entsetzt dass der Polizist, der den Tritt gegen den Kopf des am Boden Liegenden ausgeführt hat - wie in dem Video zu sehen ist aus vollem Lauf und mit seinem Kampfstiefel - mit einem läppischen Strafbefehl davongekommen ist.

    Ich verweise auf diesen Artikel:

     

    http://www.heise.de/tp/blogs/6/146286

     

    Und was einem Großteil der Jugendlichen bekannt sein dürfte müsste einem Polizeibeamten erst recht klar sein. Ergo hätte wäre einzig eine Anklage wegen eines versuchten Tötungsdeliktes angemessen gewesen.

  • W
    WauWau

    Es ist ja sehr zu begrüßen, dass ein Gericht einer Aussage eines Polizisten widerspricht. Aber das Schläger in Uniform immer wieder nur eine Bewährungstrafe bekommen ist mir befremdlich. Andere werden bei vermeindlichen Flaschenwürfen auf Mord angeklagt und Polizisten erhalten eine Bewährungsstrafe. Für mich verkehrte Welt!