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Polizeiforscher Hartmann über künsltiche DNA"Gleichauf mit Wachhunden"

Der Einsatz künstlicher DNA in Bremen führte nicht zu weniger Einbrüchen. Der Leiter des Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung ist trotzdem zufrieden.

Erfolglos, aber irgendwie trotzdem gut: künstliche DNA. Bild: dpa
Simone Schnase
Interview von Simone Schnase

taz: Herr Hartmann, was waren die Schwerpunkte Ihrer Evaluation zum Bremer Pilotprojekt, in dem die Polizei drei Jahre lang den Einsatz künstlicher DNA getestet hat?

Arthur Hartmann: Sie umfasste die Untersuchung bereits durchgeführter Studien zur Wirkung der kDNA, die Befragung der Bevölkerung in den Pilotregionen und die Befragung von Gefangenen in der JVA Uelzen und der JVA Bremen. Bei der Bevölkerungsbefragung sind von knapp 3.500 Fragebögen 484 Stück zurückgekommen, und hier hat sich vor allem gezeigt, dass sich die beteiligten Bürgerinnen und Bürger von der Polizei sehr gut informiert gefühlt haben. Von den Gefangenen hat knapp die Hälfte angegeben, dass die kDNA eine abschreckende Wirkung auf sie hat. Damit liegt sie etwa gleichauf mit Videoüberwachung, Alarmsicherung und Wachhunden. Außerdem haben wir keine wissenschaftlich abgesicherte Studie gefunden, die die Wirksamkeit der kDNA anhand des Rückgangs von Einbruchzahlen unter Beweis stellt – allerdings gibt es auch keinen wissenschaftlichen Beweis für das Gegenteil.

Die Grundlagen für das Projekt beruhten lediglich auf Angaben von Herstellern künstlicher DNA – ist das nicht ein bisschen dürftig?

Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es natürlich wünschenswert, solche Zahlen vorab zu prüfen. Wobei ich sagen muss, dass meines Wissens auch englische Polizisten diese Zahlen für England mehr oder weniger bestätigt haben.

Die Rechtslage in England ist aber eine andere als hier.

Naja, aber auch dort muss sicher ein Tatverdacht vorliegen. Aber die Zuordnung, was Polizei machen darf und wann es zum Beispiel Gerichtsvorbehalte gibt, ist in England im Detail tatsächlich anders geregelt und könnte dazu führen, dass sich die Einsatzmöglichkeiten dort anders darstellen.

Arthur Hartmann

55, ist Leiter des Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen.

Warum startet man dennoch ein solches Projekt?

Wir haben in Deutschland weithin noch nicht die Kultur, dass man im sozialwissenschaftlichen Bereich sagt: Wir investieren vorher in die wissenschaftliche Vorbereitung und gestalten Projekte so, dass sie gut evaluiert werden können. Und das ist nicht nur bei der Polizei so. Immerhin haben wir, anders als noch vor 20 Jahren – da war Evaluation ein Fremdwort – inzwischen wenigstens die Situation, dass irgendwann gesagt wird: Es müsste doch eine Evaluation stattfinden.

Wann war dieser Zeitpunkt innerhalb des Pilotprojekts erreicht?

Durch einen Artikel in der Zeit im Herbst 2010 ist die Zahlenbasis, auf die sich die Polizei gestützt hat, sehr stark in Frage gestellt worden, und ich denke, daraufhin hat sich die Polizei entschlossen, diesen Punkt genauer zu durchleuchten. Abgesehen davon möchte ich aber deutlich sagen: Wie sich das Projekt entwickelt hat, ist ein großer Erfolg. Die Bildung von Bürgerinitiativen, die Zusammenarbeit zwischen ihnen und der Polizei und die Sensibilisierung für das, was bei den Nachbarn geschieht: All das wäre ohne den „Kristallisationspunkt“ der künstlichen DNA ja gar nicht geschehen.

Mittlerweile gibt es 135 dieser Bürgerinis, die kDNA verwenden. Besteht nicht die Gefahr, dass manche MitbürgerInnen diese Initiativen mit Bürgerwehren verwechseln könnten?

Nein, denn eine Bürgerwehr entwickelt sich meist gegen die Polizei, während sich die Initiativen ja gemeinsam mit der Polizei gegründet haben, und das soll auch so bleiben. Das staatliche Gewaltmonopol wird durch sie nicht in Frage gestellt. Abgesehen davon dürfen sich Privatpersonen im Rahmen des Notwehr-Rechts ohnehin wehren, und das betrifft auch ihr Eigentum. Allerdings ist das Notwehr-Recht zeitlich eng begrenzt, denn es darf nur angewendet werden, solange der Täter das Rechtsgut beeinträchtigt. Sobald er sich zur Flucht wendet, endet es, es sei denn, er führt noch Beute bei sich.

Künstliche DNA (kDNA)

ist eine individualisierte Substanz, mit der Wertgegenstände bepinselt werden. Sie enthält Mikrochips, mit deren Hilfe die Polizei den Besitzer über eine Datenbank feststellen kann.

kDNA hält bis zu sechs Wochen auf der Haut und ist nur unter UV-Licht sichtbar, was den Dieb verrät.

In Bremen wurde ihr Einsatz drei Jahre lang getestet.

Das Ergebnis: Die Zahl der Einbrüche hat sich kaum verringert, nur drei von ihnen konnten mithilfe der kDNA aufgeklärt werden.

Ein weiterer Grund gegen die ohnehin schon umstrittenen „DNA-Duschen“?

Hinsichtlich der Notwehr hängt eine Rechtfertigung von den konkreten Umständen ab. Aber es gibt noch andere Aspekte, die den Einsatz der Duschen rechtfertigen können, zum Beispiel Paragraph 127 Abs. 1 StPO oder auch das allgemeine Selbsthilferecht nach Paragraph 229 BGB. In der juristischen Literatur ist der Einsatz solcher Sprühanlagen eine strittige Frage.

Gilt das auch für die Spuckschutzhauben, die als neuestes Projekt ein Jahr lang in Bremen getestet werden sollen?

Ich habe mich damit noch nicht genauer auseinandergesetzt, aber deren Einsatz ist sicher nicht unproblematisch. Prinzipiell könnte man sagen: Wenn es zur Situation des Anspuckens kommt, dann stünde auch der Polizei das persönliche Notwehr-Recht zu. Das heißt aber: Es müsste unmittelbar erkennbar sein, dass der Verdächtige sofort spucken wird. Wenn er zum Beispiel schon einmal, und sei es vor ein paar Sekunden, gespuckt hat, rechtfertigt das allein keine Notwehr, denn das heißt nicht, dass er es gleich noch mal tun wird. Das müsste sich schon konkret abzeichnen, und das jeweils zu erkennen, stelle ich mir im Einsatz kaum umsetzbar vor. Außerhalb der Notwehr-Situation sind polizeiliche Eingriffe an das Polizeirecht und damit an das unmittelbare Zwangsgesetz Bremens gebunden. Da müsste man prüfen, ob eine Rechtsgrundlage vorliegt. Wenn nicht, wären Spuckschutzhauben nur zulässig, wenn die Bürgerschaft die Polizei mit einer entsprechenden Rechtsgrundlage ausstattet.

Also ein Projekt, das auf ähnlich wackeligen Füßen steht wie die künstliche DNA ...

Sollten das Polizei- und unmittelbare Zwangsgesetz die Maßnahme nicht hergeben, dann ja. Als Wissenschaftler plädiere ich dafür, Maßnahmen auf einer sicheren rechtlichen und empirischen Grundlage umzusetzen und sich dafür die nötige Zeit zu nehmen.

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