Polizeieinsatz in Kreuzberg: Nazi-Gewalt hat Folgen
Nach heftiger Kritik kündigt Innensenator Ehrhart Körting an, Aufmärsche von Neonazis künftig publik zu machen. Antifa fahndet derweil im Internet nach rechten Schlägern.
Der Polizeieinsatz auf einer rechtsextremen Demonstration am Samstag in Kreuzberg hat Folgen: Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kündigte an, bei Nachfragen künftig "zumindest einen Tag vorher" Neonazi-Aufmärsche bekanntzugeben. "Nicht die ganze Route, aber den Startplatz." Darauf habe die Bevölkerung einen Anspruch.
Nachdem Gegendemonstranten die 110 Neonazis am Mehringdamm blockiert hatten, hatte die Polizei versucht, die Rechtsextremen durch den U-Bahnhof an den Blockierern vorbeizuführen. Dabei überrannten die Neonazis die Polizei und attackierten Gegendemonstranten und Passanten. Der Gewaltausbruch und das Polizei-Manöver wurden parteiübergreifend kritisiert, ebenso die vorherige Geheimhaltung des Aufmarschs durch die Polizei. Körting räumte ein, über den Einsatz "nicht glücklich" zu sein. Man habe die Aggressivität der Neonazis unterschätzt.
Auch Polizeipräsident Dieter Glietsch äußerte sich selbstkritisch. Der Polizeieinsatz sei "nicht so gelungen, wie er hätte gelingen müssen". Dem Anmelder der Neonazi-Demo, der Berliner NPD-Vize Sebastian Schmidtke, drohte Glietsch mit Konsequenzen: Dessen Verhalten und das "seines Anhangs" werde man künftig "im Hinblick auf Verbotsgründe" bei von ihm angemeldeten Aufzüge berücksichtigen.
Unterdessen haben Antifa-Gruppen im Internet einen "Rechercheaufruf" veröffentlicht, bei dem mit Fotos nach den angeblich "an dem Überfall beteiligten Neonazis" gesucht wird. Man vertraue "nicht auf irgendwelche Nachermittlungen der Polizei", sondern nehme "die Sache selbst in der Hand", heißt es auf der Internetseite. Unter den elf abgebildeten Personen befinden sich auch langjährige Berliner Neonazi-Aktivisten. Ziel sei es, rechte Schläger bekannt zu machen und deren Gewalt "nicht konsequenzlos zuzulassen", sagte Lars Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin.
Die Polizei wollte die Aktion nicht bewerten. Die Fotos seien bekannt, sagte ein Sprecher nur. Nach den Ausschreitungen wurden 40 Neonazis vorübergehend festgenommen, die meisten nach einem zweiten erfolglosen Demo-Versuch in Rudow.
Bei den Gegendemonstranten gab es acht Festnahmen. Auch gegen die Linken-Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak wird ermittelt. Sie soll die Gewahrsamnahme eines Gegendemonstranten behindert haben. Das sei "völlig abwegig", so Wawzyniak. Sie habe nach der Dienstnummer eines Beamten gefragt, nachdem dieser den Festgenommen mit der Faust geschlagen hatte.
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