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Polizeieinsatz bei Anti-Nazi-ProtestSignal der Eskalation

Die Polizei reagiert handgreiflich auf einen Protest des Zentrums für politische Schönheit. Als Grund nennt sie eine Sirene, die bereits verstummt war.

Unheilvoller Mix_ Blank, Bus, Polizei Foto: Imago/Eventpress Jeremy Knowles

Berlin taz | Die Neonazi-Demo am Samstag hatte nach 50 Metern am Ostkreuz soeben ihren Endpunkt erreicht. Friedliche Blockaden von Tausenden in direkter Nähe auf dem Markgrafendamm hatten zuvor die Route unpassierbar gemacht. Plötzlich aber klettern Po­li­zis­t:in­nen der 23. Einsatzhundertschaft über die Gitter vor dem Club About Blank, hinter denen Ge­gen­de­mons­tran­t:in­nen und der Protestbus „Adenauer SPR+“ des Zentrums für politische Schönheit (ZPS) stehen. Ein Beamter trägt einen Rammbock. Obwohl Ausweichmöglichkeiten fehlen, drücken die Einsatzkräfte gegen die Menschen, schubsen, schlagen und setzen Pfefferspray ein.

Die Polizei begründete die Eskalation in einer Mitteilung damit, dass eine Sirene des Busses „die beschränkte Lautstärkeregelung deutlich überstiegen“ habe. Erst „nach Einschreiten der Einsatzkräfte wurde die Sirene nach einigen Minuten durch die Verantwortlichen abgeschaltet“, zudem kam es zu „Flaschenwürfen“ heißt es. Auf Nachfrage der taz heißt es leicht verändert: „Nach Einschreiten der Polizeikräfte und Kontaktaufnahme mit den Verantwortlichen“ sei es zum Abschalten gekommen. „Im Zuge“ dessen kam es zu den Flaschenwürfen

„Die Darstellung ist schlicht falsch und chronologisch verdreht“, sagt Stefan Pelzer vom ZPS. Be­ob­ach­te­r:in­nen und der innenpolitische Sprecher der Grünen, Vasili Franco, bestätigen das. Franco spricht von einem „Schönreden“ der Polizei, sowie von einer „unnötigen und nicht mehr notwendigen Eskalation“. Die Sirene war längst abgeschaltet, als der Einsatz gegen die De­mon­stran­t:in­nen begann.

Immer wieder Bus-Stress

Der umgebaute Bus in Polizeioptik, mit Warnsirenen, Nebelmaschine und Kameras, der eine Beweissammlung für die Verfassungswidrigkeit der AfD mit sich führt, begleitet seit dem AfD-Parteitag in Riesa im Januar Proteste – genauso lange schon arbeitet sich die Polizei an ihm ab. Am Samstag war der „Adenauer SRP+“, der an das Verbot der „Sozialistischen Reichspartei“ 1952 erinnern soll, auf dem Privatgelände des Clubs abgestellt.

Nach einer Drohung den Bus zu „zerstören“, wenn kein Fahrzeugschein vorgelegt werde, verlangte die Polizei vom ZPS eine Versammlung anzumelden, so Pelzer. Laut Polizei galt dafür eine Beschränkung auf 90 Dezibel und ein Zugriffsrecht auf dessen Bedienelemente. Pelzer bestreitet beides. Vorgabe sei gewesen, nur die eigene Versammlung zu beschallen, ein Zugriffsrecht hätte man nicht gestattet. Auch Franco sagt: „Eine feste Dezibelabsprache gab es nicht.“

Als die Nazis vorrücken, ließ der Bus die Sirene ertönen, „unerlaubt“, wie Franco sagt, ein kurzer Moment des „zivilen Ungehorsams“. Nach einem Anruf der Polizei schaltete das ZPS die Sirene 6 Minuten später aus, dasselbe wiederholte sich mit der Nebelmaschine. Erst einige Minuten später kam es zum Sturm der Hundertschaft, in Reaktion darauf zu vereinzelten Flaschenwürfen. Den Einsatzkräften sei es darum gegangen, sich direkt am Bus zu platzieren. „Hätten sie uns das gesagt, hätten sie das einfach haben können“, sagt Pelzer.

Bereits am Abend der Bundestagswahl hatten Polizisten eine Scheibe eingeschlagen und den Bus gestürmt, damals seien Po­li­zis­t:in­nen durch die Sirene verletzt worden, hieß es. Einige Woche zuvor war er gar beschlagnahmt worden, zudem gab es unzählige Kontrollen und Kontakte. „Ich habe bereits eine Brieffreundschaft mit der Polizei entwickelt“, sagt Pelzer, der als Halter eingetragen ist. Die Scherereien vergleicht er mit einer „Eingewöhnungsphase“ in der Kita: „Die Berliner Polizei muss ich an das Fahrzeug gewöhnen, weil wir das für immer betreiben werden.“

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1 Kommentar

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  • dieses larmoyante und präpubertäre gebahren von zu spät abgetopften brutalos in uniform ist einfach nur lästig. schluss damit! sonst gibt's keine gute-nacht-geschichte!