: Polizei verteidigt ihre Privilegien
■ Grüne wollen Reform des 12-Stunden-Schicht-Systems bei der Polizei. Gewerkschaft der Polizei stellt sich weiter quer
Die Bündnisgrünen wollen erneut die ihrer Ansicht nach unzeitgemäßen Privilegien bei der Polizei angehen. Nach den Sommerferien will die Fraktion auf eine Neuregelung beim teuren Schichtsystem der Beamten drängen. „Wir wollen notfalls eine gesetzliche Regelung, sollten die Personalvertretungen sich weiter querstellen“, sagte gestern der bündnisgrüne Fraktionschef Wolfgang Wieland.
Eine von den Grünen seit Jahren geforderte Reduzierung des 12-Stunden-Schicht-Systems auf acht Stunden war 1993 auch vom Landesrechnungshof angemahnt worden. Eine solche Reduzierung, so die Prüfer damals, würde täglich allein 2.500 Arbeitsstunden einsparen. Damit könnten täglich 312 Beamte anderweitig eingesetzt werden, rechnet Wieland vor. Die bündnisgrünen Haushaltsexperten hatten das Zahlenwerk des Rechnungshofes schon damals in bare Münze umgerechnet: Der Einspareffekt liege bei rund 60 Millionen Mark pro Jahr.
Ein Modellversuch, mit dem das Schichtsystem erprobt werden sollte, war im Frühjahr vergangenen Jahres nach interner Kritik allerdings beendet worden. Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei zu recht. Denn eine solche Reform setze zusätzliches Führungspersonal voraus, so der Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg.
In Zeiten des Spardrucks müsse sich auch die Polizei bewegen und von „verständlicherweise liebgewonnenen Privilegien“ Abschied nehmen, fordern dagegen die Grünen. Das derzeitige Schichtsystem sichere den Polizisten jährlich 182 Überstunden, die sich zu rund 15 freien Tagen summieren. „Diese automatischen Freitagen würden bei einer Änderung entfallen.“
Daß die bisherigen Regelungen, um die in Berlin seit 1974 gerungen wird, angesichts des desolaten Haushalts zur Disposition stehen könnten, ist auch den Interessenvertretern klar. „Es wird wohl wieder einmal um die Arbeitszeitmodelle gehen“, fürchtete der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats bei der Polizei, Jürgen von Malottki. Aus Sicht der Betroffenen sei eine Änderung aber nicht erwünscht.
Über Arbeitszeiten wird auch das noch vom früheren Innensenator Heckelmann in Auftrag gegebene Gutachten der Hamburger Consultingfirma Mummert und Partner Auskunft geben. Anfang Oktober werden drei von fünf Untersuchungsprojekten dem Lenkungsausschuß, in dem Vertreter der Innenbehörde und des Gesamtpersonalrats sowie von CDU und SPD sitzen, vorgelegt. Unter anderem gehe es dabei auch um die Frage, ob „Mitarbeiter bei der Polizei an der richtigen Stelle eingesetzt werden“, so Projektleiter Michael Weber von Mummert und Partner. Severin Weiland
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