piwik no script img

Polizei räumt besetztes InstitutKein Platz für Irrelevanz

Das besetzte „Institut für vergleichende Irrelevanz“ nahe der Uni Frankfurt wurde von der Polizei geräumt. Am Dienstag gibt es eine Protestdemo.

Räumung am Morgen: Das IvI war das letzte besetzte Gebäude in Frankfurt. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN taz | Am Montagmorgen hat die Frankfurter Polizei das seit knapp 10 Jahren besetzte „Institut für vergleichende Irrelevanz“ (IvI) geräumt. Damit ist das einzig verbliebene besetzte Gebäude der Stadt Geschichte.

Bereits in den frühen Morgenstunden hatten sich rund 100 UnterstützerInnen rund um das ehemalige Unigebäude gegenüber dem Campus Bockenheim versammelt, denn das Gerücht, die Polizei wolle räumen, kursierte bereits seit Sonntag im Internet. Während die verbliebenen Besetzer im Kettenhofweg 130 eine rote Fahne mit der Aufschrift „IvI bleibt“ aus dem Fenster hingen, blockierten etliche Dutzend Sympathisanten mittels einer Sitzblockade den Zugang zum Gebäude.

Doch als gegen acht Uhr der Gerichtsvollzieher eintrifft, nützt das alles nichts: Die Polizei trägt die Unterstützer weg, räumt die Barrikaden aus Stühlen und Einkaufswagen aus dem Weg und bricht die Tür auf. Es kommt zu Rangeleien, rund eine Stunden später ist das IvI geräumt.

Dieses wurde im Dezember 2003 von linken AktivistInnen – auch aus der antideutschen Strömung – besetzt, seither veranstalten sie dort Partys, Vorträge sowie Diskussionen. Die Frankfurter Goethe-Uni, der das Gebäude gehörte, tolerierte dies. Doch vor gut einem Jahr verkaufte sie das Haus für einen günstigen Preis an die umstrittene Immobilienfirma Franconofurt, die seither versucht, die Besetzer loszuwerden.

Vor Gericht gescheitert

Im Februar stellte das Frankfurter Landgericht Franconofurt einen Räumungstitel aus, den die IvI-Aktivisten als „Rechtsbeugung“ bezeichnen, weil er gegen eine „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (GbR) gerichtet ist. „Diese Konstruktion ist frei erfunden, wir waren nie eine GbR“, so ein IvI-Sprecher, der sich Oliver Sonnenschein nennt. Dennoch scheiterte am Freitag auch der Versuch des Politikprofessors Joachim Hirsch, sich vor Gericht als Streithelfer für das IvI einzuschalten.

Am Montag folgte daraufhin nun die Räumung. Laut Polizei verlief diese „friedlich“: Es habe weder Verletzte gegeben noch eine Feststellung der Personalien der Besetzer, so eine Sprecherin. Dem widerspricht Oliver Sonnenschein: „Bei der Räumung der Sitzblockade kam es zum Einsatz von Schlagstöcken, es gab drei Verletzte.“ Außerdem habe die Polizei die Personalien der sechs im Haus verbliebenen Aktivisten aufgenommen.

„Doch auch von diesen Repressalien lassen wir uns nicht einschüchtern“, so Sonnenschein. „Es wird die ganze Woche über Aktionen für den Erhalt des IvI geben.“ Bereits seit längerem mobilisieren die Aktivisten deutschlandweit für eine große Demonstration am Tag nach der Räumung.

Am Dienstag wollen sie sich um 18 Uhr am Frankfurter Hauptbahnhof treffen, an diesem Tag beginnt auch der deutsche Städtetag in Frankfurt, zu dem viel Prominenz aus der Politik erwartet wird: Auf der Rednerliste steht unter anderem Kanzlerin Angela Merkel.

Stadtparlament verhandelt über Ersatzprojekt

Die Aktivisten hoffen immer noch auch auf eine politische Lösung. In den vergangenen Monaten verhandelten deshalb IvI-Vertreter mit Frankfurter Parteien über ein Ersatzobjekt für das Kulturzentrum – bisher ergebnislos. CDU und FDP sind gegen den Erhalt des IvI, SPD, Linke und Piraten haben sich in einem Antrag dafür ausgesprochen, über den am Montagabend im Stadtparlament verhandelt wird.

Enttäuscht zeigen sich die Aktivisten von den Grünen, die gemeinsam mit der Union in Frankfurt regieren. „Außer Lippenbekenntnissen ist bisher nichts passiert“, so Sonnenschein. Also wollen er und seine MitstreiterInnen „nicht aufhören für selbstorganisierte Räume zu kämpfen und so lange weiter besetzen, bis wir ein adäquates Ersatzobjekt haben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • DD
    DerKritiker des Kritikers des Kritikers ist DerKritiker

    Das eine so gefühlt homogene Stadt wie Frankfurt alternative Lebenskonzepte, Raum für kritische Auseinandersetzung mit der Lebenswelt und auch einen Ort der Zusammenkunft unterschiedlichster Strömungen (die sich wohl unter dem Begriff "links" subsummieren lassen) braucht, steht für mich ausser Frage. Die Räumung eröffnet aber gleich mehrere Chancen... Zum einen debattiert die örtliche Politik über die Notwendigkeiten eines solchen "Instituts" und offenbart dabei interessante Einblicke in die jeweilige Geisteshaltung, zum Anderen wird einem Eigentümer zu seinem Recht verholfen und darüber hinaus kann durch Demonstrationen und Aktualität der Thematik der Diskurs auch an Menschen herangeführt werden, die sich noch gar nicht mit dem "iVi auseinandergesetzt haben. Der Ball liegt jetzt bei Stadt und Universität, um zu entscheiden ob ihnen Pluralität, politische Diversität und alternative Lebens- und Lernentwürfe schützenswert genug sind, um einen Ausweg aufzuzeigen!

  • BS
    B. Schmitt

    "Damit ist das einzig verbliebene besetzte Gebäude der Stadt Geschichte." Schöner Artikel, unzureichende Recherche - es gibt noch weiteres besetztes Haus in Frankfurt (seit 1983 besetzt). Das sollte berichtigt werden.

  • DT
    Der Thomas

    Der Hinweis "auch aus der antideutschen Strömung" in jedem taz-Artikel über das Ivi ist irgendwie schräg. Man könnte genauso immer hervorheben, dass dort auch Menschen aus Strömungen wie Queer, Gender, Vegetarier, kritische Theorie, Antirassismus, Kunst, Poststrukturalismus usw. vertreten sind.

  • C
    Cometh

    ... und es wird dort prima aussehen. Die Räume sind gepflegt, man ist mit den Dingen so liebevoll umgegangen, wie mit dem eigenen Ipod.

     

    Sympatische Leute, die man vertreibt und heimatlos macht, nur an Forschung, Bildung und gesellschaftlichem Engagement interessiert. Warum nur sind sie hier und nicht in Timbukto oder Russland, wo sie so viel besseres wirken könnten. Bitte, bitte, erlöst doch bitte andere, ihr Erlöser.

  • DK
    Der Kritiker des Kritikers

    Diese Kommentare sprechen Bände über die taz-Konsumenten.

  • T
    tazitus

    Die Akzeptanz von Firlefanz

    führt manchmal doch zu Relevanz.

    (Leider nicht in Frankfurt.)

  • H
    hessebub

    Dabei arbeitet das IvI auf einer wesentlich fundierteren wissenschaftlichen Basis als etwa das Institut für Transkulturelle Gesundheitswissenschaften an der Viadrina in Frankfurt/Oder....

  • M
    mauersegler

    Tja, jetzt müssen die zeitweise verlorenen Kinder der Frankfurter Wohlstandsbürger wieder nach Hause in die Villa oder (eigene?) Eigentumswohnung zu Mami und Papi und sich dort über die pöse, pöse Welt ausweinen - aber bitte nicht vergessen iPod, iPad, Apple-Notebook und all den anderen gehobenen Wohlstandsmüll dorthin mitzunehmen!

     

    Die mit der CDU koalierenden Frankfurter Grünen haben natürlich jede Gelegenheit genutzt sich tränenreich mit diesen Wohlstandskindern auf publikumswirksam-schicken abenteuerlichen Abwegen zu solidarisieren. Das ist schliesslich ihre Wahlklientel: Heute noch salon-revolutionär, morgen schon besserverdienend.

  • M
    Mondschein

    Es scheint mir, als könne das Kapital in der brd eh jedes besetzte Haus räumen bei Bedarf.

    Wenn sich der Widerstand auf ein paar gutgemeinte Sitzblockaden oder temporäre Schamützel mit den Bullen bei einer Spontandemo beschränkt, ist der Widerstand kein Widerstand mehr, sondern höchstens ne unangenehme Begleiterscheinung kapitalistischer Politik. Aber weder die Massenmedien oder die Massen selber finden Repressionen gegen Menschen, die ein bisschen mehr selbstbestimmt leben wollen, erwähnenswert oder schlimm.

     

    DU bist Deutschland.....

  • D
    DerKritiker

    Endlich,...