Polizei im Görlitzer Park: Die Parkraser
Die Initiative Görli 24/7 wirft der Polizei vor, nachts mit dem Auto mit hohen Geschwindigkeiten Dealer durch den Görli zu jagen. Zeugen berichten.
Berichten mehrerer Betroffener zufolge seien es dieselben beiden Polizisten, die seit dem 17. Dezember fast jeden Dienstag bis Freitag zwischen 22 Uhr und 4 Uhr morgens in dieser Weise agieren. Der Streifenwagen komme aus der Görlitzer oder der Wiener Straße und fahre ohne Licht in den Park. Sobald Menschen in Sichtweite sind, erhöhe er das Tempo und rase auf sie zu. Blieben die Personen stehen, bremse der Wagen abrupt ab, halte nur wenige Zentimeter vor ihnen. „Wenn sie so weitermachen, bringen sie jemanden um“, sagt Mwangi besorgt.
Die Personen würden je nach Hautfarbe unterschiedlich behandelt, berichtet er. Weiße würden zum Gehen aufgefordert, während Schwarze Menschen auf ihre Identität geprüft, Fingerabdrücke genommen, durchsucht, rassistisch beleidigt und in mehreren Fällen geschlagen worden wären. „Wenn du rennst, fragen sie dich: warum rennst du? Damit machst du dich verdächtig“, erzählt Mwangi. „Ich renne um mein Leben, um nicht überfahren zu werden!“, sagt er empört.
Neulich sei ein Bekannter von ihm von den zwei Polizisten aus dem offenen Fenster mit Pfefferspray besprüht und zusammengeschlagen worden, als er weggerannt sei. Ein Krankenwagen habe ihn abholen müssen. Ein anderer sei beim Wegrennen festgenommen und zur Polizeistation gebracht worden.
Dealer warnen Parkbesucher*innen
Seit dem 26. Dezember seien die beiden Polizisten nicht mehr nachts ohne Licht unterwegs, berichtet Mwangi. Er vermutet, dass die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihr Verhalten dazu geführt hat. „Wir haben die Community informiert, um sie zu beschützen“, sagt er. Sie hätten nicht gewollt, dass anderen Parkbesucher*innen etwas passiert, nur weil die Polizei die Dealer verfolgt. Zudem befürchtet er, dass die Verantwortung den Dealern zugeschrieben würde, sollte etwas passieren.
Die Initiative Görli 24/7, die sich gegen verstärkte Polizeipräsenz sowie die geplante Umzäunung des Parks einsetzt, hatte Ende Dezember in einem offenen Brief auf die Raserei aufmerksam gemacht. Für Samstag hatte die Initiative an der Polizeiwache am Kottbusser Tor zu einer Demonstration gegen „Polizeiterror im Görli“ aufgerufen, zu der sich rund 60 Menschen versammelten.
„Die kriminellste Gruppe im Kiez ist die Polizei“, sagt Flo Grünbaum von der Initiative Görli 24/7 der taz. Die beiden Polizisten könnten sich strafbar gemacht haben, unter anderem wegen Fahrens ohne Licht, überhöhter Geschwindigkeiten und Racial Profiling, meint die Initiative. Laut Grünbaum komme es auch häufig vor, dass persönliche Gegenstände wie Handys, Tablets oder Kopfhörer konfisziert werden, ohne dass die Betroffenen eine Quittung erhalten – das sei rechtswidriges Vorgehen. Dennoch wurde bisher keine Anzeige gegen sie erstattet. „Den Betroffenen fehlen die nötigen Informationen, wie Autokennzeichen oder Dienstnummern der Beamten. Diese zu bekommen, ist ein Risiko, das sie nicht eingehen wollen“, sagt Grünbaum. Hinzu komme, dass viele keine gültigen Papiere haben. Die Pressestelle der Polizei konnte der taz bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu den Vorwürfen geben.
Der geplante Zaun mit nächtlicher Schließung des Parks bereitet Mwangi Sorgen. „Sie können uns dann besser überwachen“, sagt er. Aufhalten würden sie sich dort trotzdem, sie seien mit dem Park verbunden. „Wir wollen Teil der Gesellschaft sein, wir wollen eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Wir dealen, nur um zu überleben“, sagt er. „Wir sind Menschen, wir sind keine Kriminellen.“
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