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Polizei im Görlitzer ParkDie Parkraser

Die Initiative Görli 24/7 wirft der Polizei vor, nachts mit dem Auto mit hohen Geschwindigkeiten Dealer durch den Görli zu jagen. Zeugen berichten.

Spät abends im Görlitzer Park lauern ungeahnte Gefahren Foto: Emmanuele Contini/imago

Berlin taz | Wenn sie kommen, renne er um sein Leben, erzählt Emanuel Mwangi (Name geändert). „Nachts rasen sie mit einem Streifenwagen ohne Licht mit bis 70 km/h durch den Park. Wenn sie dich sehen, geben sie Gas“, berichtet er der taz. Mwangi, der vor einigen Jahren aus Westafrika nach Berlin gekommen ist, verdient seinen Lebensunterhalt als Dealer im Görlitzer Park. „Die Polizei provoziert und schikaniert uns ständig“, sagt er. „Aber das ist das Gruseligste, was mir seit 10 Jahren im Park passiert ist.“

Berichten mehrerer Betroffener zufolge seien es dieselben beiden Polizisten, die seit dem 17. Dezember fast jeden Dienstag bis Freitag zwischen 22 Uhr und 4 Uhr morgens in dieser Weise agieren. Der Streifenwagen komme aus der Görlitzer oder der Wiener Straße und fahre ohne Licht in den Park. Sobald Menschen in Sichtweite sind, erhöhe er das Tempo und rase auf sie zu. Blieben die Personen stehen, bremse der Wagen abrupt ab, halte nur wenige Zentimeter vor ihnen. „Wenn sie so weitermachen, bringen sie jemanden um“, sagt Mwangi besorgt.

Die Personen würden je nach Hautfarbe unterschiedlich behandelt, berichtet er. Weiße würden zum Gehen aufgefordert, während Schwarze Menschen auf ihre Identität geprüft, Fingerabdrücke genommen, durchsucht, rassistisch beleidigt und in mehreren Fällen geschlagen worden wären. „Wenn du rennst, fragen sie dich: warum rennst du? Damit machst du dich verdächtig“, erzählt Mwangi. „Ich renne um mein Leben, um nicht überfahren zu werden!“, sagt er empört.

Neulich sei ein Bekannter von ihm von den zwei Polizisten aus dem offenen Fenster mit Pfefferspray besprüht und zusammengeschlagen worden, als er weggerannt sei. Ein Krankenwagen habe ihn abholen müssen. Ein anderer sei beim Wegrennen festgenommen und zur Polizeistation gebracht worden.

Dealer warnen Park­be­su­che­r*in­nen

Seit dem 26. Dezember seien die beiden Polizisten nicht mehr nachts ohne Licht unterwegs, berichtet Mwangi. Er vermutet, dass die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihr Verhalten dazu geführt hat. „Wir haben die Community informiert, um sie zu beschützen“, sagt er. Sie hätten nicht gewollt, dass anderen Park­be­su­che­r*in­nen etwas passiert, nur weil die Polizei die Dealer verfolgt. Zudem befürchtet er, dass die Verantwortung den Dealern zugeschrieben würde, sollte etwas passieren.

Die Initiative Görli 24/7, die sich gegen verstärkte Polizeipräsenz sowie die geplante Umzäunung des Parks einsetzt, hatte Ende Dezember in einem offenen Brief auf die Raserei aufmerksam gemacht. Für Samstag hatte die Initiative an der Polizeiwache am Kottbusser Tor zu einer Demonstration gegen „Polizeiterror im Görli“ aufgerufen, zu der sich rund 60 Menschen versammelten.

„Die kriminellste Gruppe im Kiez ist die Polizei“, sagt Flo Grünbaum von der Initiative Görli 24/7 der taz. Die beiden Polizisten könnten sich strafbar gemacht haben, unter anderem wegen Fahrens ohne Licht, überhöhter Geschwindigkeiten und Racial Profiling, meint die Initiative. Laut Grünbaum komme es auch häufig vor, dass persönliche Gegenstände wie Handys, Tablets oder Kopfhörer konfisziert werden, ohne dass die Betroffenen eine Quittung erhalten – das sei rechtswidriges Vorgehen. Dennoch wurde bisher keine Anzeige gegen sie erstattet. „Den Betroffenen fehlen die nötigen Informationen, wie Autokennzeichen oder Dienstnummern der Beamten. Diese zu bekommen, ist ein Risiko, das sie nicht eingehen wollen“, sagt Grünbaum. Hinzu komme, dass viele keine gültigen Papiere haben. Die Pressestelle der Polizei konnte der taz bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu den Vorwürfen geben.

Der geplante Zaun mit nächtlicher Schließung des Parks bereitet Mwangi Sorgen. „Sie können uns dann besser überwachen“, sagt er. Aufhalten würden sie sich dort trotzdem, sie seien mit dem Park verbunden. „Wir wollen Teil der Gesellschaft sein, wir wollen eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Wir dealen, nur um zu überleben“, sagt er. „Wir sind Menschen, wir sind keine Kriminellen.“

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11 Kommentare

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  • Sowas gab es vor einiger Zeit auch im Hamburger Schanzenpark, allerdings wohl zum Glück nur als Einzelfall.



    Aber richtig wie im Actionfilm mit schleudern, wildes beschleunigen, etc.



    Also nicht völlig undenkbar bei Polizisten auf "Dealerjagd".

  • Die deutsche Polizei kann und muss man vielfach kritisieren. Ich kann mir auch vorstellen, dass die Polizei im Görli nach ihren eigenen Regeln vorgeht und diese nicht immer mit geltendem Recht vereinbar sind. Das gehört verfolgt.



    Mein Mitleid mit Dealern hält sich allerdings sehr in Grenzen. Dealer sind Täter. Und Kriminelle.

  • Wenn die beiden Polizisten das fast jede Nacht machen, müsste es doch einem Journalisten oder einer Journalistin ein Leichtes sein, dies zu überprüfen und zu dokumentieren. Denn wenn es stimmt, begehen die beiden Polizisten gleich mehrere strafwürdige Handlungen und gehören aus dem Verkehr gezogen und müssten für immer ihre Polizeimarken abgeben. Aber so beruft sich der Bericht leider nur auf Hörensagen, und falsche Polizisten (bzw. Personen in mehr-oder-minder-Polizeiuniformen) gibt es auch immer wieder.

    Und „Wir sind Menschen, wir sind keine Kriminellen.“ von Leuten, die u.a. Speed, Crack, Kokain oder Heroin verticken, ist auch ein (schlechter) Witz. Wieviele Drogentote gab es letztes Jahr in Berlin? Im Jahr 2023 waren es 271 Drogentote in Berlin.

    • @Offebacher:

      1. Ca. zweimal pro Woche gibt der Zeuge an und dass wegen der öffentlichen Berichterstattung seit dem 26.12. keine Hetzjagd mehr stattgefunden hat. Vielleicht wäre es klüger gewesen, Journalisten zur nächtlichen Begleitung zu bitten, bevor man es öffentlich macht. Warum sollte sich eine Gruppe von Menschen sich allerdings sowas ausdenken?



      2. Mit "Wir sind Menschen..." ist gemeint, dass sie die Tätigkeit nicht zum Spaß ausüben und auch lieber was anderes machen würden, was nicht kriminell ist. Illegal in Deutschland sein oder trotz fehlender Arbeitserlaubnis versuchen, Geld zu verdienen, können Sie natürlich auch als kriminell betrachten, aber es gibt Menschen, die das anders sehen.



      Die Formulierung ist allerdings unglücklich. Ich würde auch Kriminellen nicht das Menschsein absprechen.

  • „Wir haben die Community informiert, um sie zu beschützen“, sagt er. Sie hätten nicht gewollt, dass anderen Park­be­su­che­r*in­nen etwas passiert, nur weil die Polizei die Dealer verfolgt."

    Ja klar. Wir sorgen uns zu tiefst um die Gesundheit der Menschen im Park. Deshalb verkaufen wir ihnen auch eine reichhaltige Palette an Naturheilmitteln wie Crack, Speed oder Fentanyl.

    • @Deep South:

      In der Regel, weil sie keine andere Möglichkeit haben.

      Die Dealer sind immer die am weitesten unten und da sind die Optionen sehr eingeschränkt.

      • @Sonntagssegler:

        Eine Gruppe die noch "weiter unten" ist, ist die Gruppe der Konsumierenden und Süchtigen.

  • Die Dealer haben einen besser funktionierenden moralischen Kompass als so mancher Polizist. Im Görli ist das nicht wirklich etwas Neues.



    „Wir wollen Teil der Gesellschaft sein, wir wollen eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Wir dealen, nur um zu überleben“, sagt er. „Wir sind Menschen, wir sind keine Kriminellen.“



    Und sie haben politische Vorschläge, die Drogenkriminalität deutlich effektiver bekämpfen würden als alles was unserem Senat oder der Bundesregierung einfällt.



    www.youtube.com/wa...O2cmxpdHplciBwYXJr

    • @Residente:

      Was soll an dem Teil klug sein. Zunächst mal ist es kein Widerspruch, Krimineller und Mensch zu sein, im Gegenteil können in Deutschland nur Menschen kriminell werden. Dass man mit Dealen eher die Aufenthaltsberechtigung verliert als eine zu erhalten, könnte den Personen vielleicht noch jemand erklären.

    • @Residente:

      "Wir dealen, nur um zu überleben“, sagt er. „Wir sind Menschen, wir sind keine Kriminellen.“"



      Sorry, aber das sind schlicht kriminelle Menschen. Ich sehe da keinen Widerspruch.