Polizei auf Instagram: Kann Kotti, kann Katzenbaby
Folgt man der Berliner Polizei auf Instagram, gewinnt man den Eindruck, dass sie vor allem mit der Rettung niedlicher Tierchen beschäftigt ist.
Dem Paul krabbelt in der Mittagspause ein Eichhörnchen an der dunkelblauen Hose hoch – es wolle ihm wohl „an die Nüsse“, heißt es frech unter dem Bild in dem Instagram-Post. Ein Kollege von Paul hält strahlend eine kleine, „aber leider verletzte“ Eule in die Kamera. Der blonde Tommy präsentiert ein süßes kleines wuschelig weißes Hundebaby und Kollegin Melina hält ebenfalls eins, knuddelig und braun-beige und „allein und an einen Baum gebunden“ im Park gefunden, wie es unter dem Post heißt.
Tuba und Andreas haben einen Graupapagei gefunden, ein anderer Kollege gar einen Hahn – auf einem Schulhof in Kreuzberg. Und unter dem Bild von Lina und einem Hund mit fast der gleichen Haarfarbe ist gar von „Liebe auf den ersten Blick“ die Rede.
Folgt man der Berliner Polizei auf Instagram, gewinnt man den Eindruck, dass die Ordnungshüterinnen und -hüter der Hauptstadt vor allem mit der Rettung kleiner und meist niedlicher Tierchen beschäftigt sind. Beziehungsweise von den Bürgerinnen und Bürgern vor allem dafür in Anspruch genommen werden. „Hallo, hier sind zwei kleine Häschen ganz allein“, zitiert der Instagram-Account „polizeiberlin“ eine „junge Anruferin“, die die „Langohren“ „einsam und verlassen“ an einem See gesichtet hat.
Mümmelmänner bei der Polizei
Dennis und Enno waren gleich zur Stelle, um die „Mümmelmänner“ auf den Polizeiabschnitt zu bringen, natürlich nicht, ohne vorher ein Erinnerungsfoto mit der „jungen Anruferin“ zu machen – für Instagram.
Und eine flauschige Babykatze verführt die Instagram-Texter der Polizei Berlin gar zu literarischen Anleihen: Selbige sei „wollknäuelgroß wie ein Wollknäuel, hat die Form eines Wollknäuels“, zitieren sie flüssig klassische Bildung aus den Geschichten des großen deutschen Poeten Helge Schneider. Chapeau!
Deshalb soll an dieser Stelle auch weder kleinlich-spießbürgerlich die Frage gestellt werden, ob Enno und Paul, Melina und Tuba ausgerechnet in Berlin denn nichts Wichtigeres zu tun haben, als süße Tiere zu retten. Und schon gar nicht ist dies der Ruf danach, Bilder von Unfällen, Überfällen oder anderen unerfreulichen Ereignissen auf Instagram zu verbreiten, nein. Instagram ist Posing, ist Imagepflege, ist Show.
Doch fragt man sich schon, welches Bild die Polizei da abzugeben – oder zu korrigieren? – versucht. „Kann Kotti, kann Kätzchen“, „Kann Einbrecher, kann Eichhörnchen“, „Kann Görli, kann Graupapagei“ etwa – in Abwandlung einer Kampagne der Behörde aus jüngster Zeit? Das Image der mensch- und tierliebenden Bürger:innen in Uniform, die niemandem ein Härchen krümmen können?
Schick – und vielleicht liegt darin ja auch ein Hint für die Leute, zu denen Berlins Polizist:innen bislang nicht so lieb waren: am besten künftig einfach immer ein Eichhörnchen dabei haben!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was