piwik no script img

Politrunden in der KritikDefiniere Elite!

Günther Jauch wäre auch keine Lösung: "Anne Will" offenbarte am Sonntag das Problem der ARD-Polittalkshows - es gibt zu viele davon.

Konkurrenz belebt das geschäft? Günther Jauch diskutiert bei "Anne Will" über Eliten. Bild: ard

Leise schloss sich am Sonntag ein Kreis in der jüngeren ARD-Programmgeschichte. Auf der am Mittag aktualisierten Gästeliste noch unangekündigt, saß in Anne Wills Talkrunde zum Thema "Die Elite am Pranger" jener Potsdamer, mit dem die neuere Aufregung um den Sonntagstalk begonnen hatte: Günther Jauch.

Als der designierte Christiansen-Nachfolger unter Kritik an den "Gremien-Gremlins" vom noch nicht angetretenen Posten zurücktrat, musste 2007 ein Nachfolger gesucht werden. Für den Sendeplatz am Sonntag, "prominent", weil davor der "Tatort" läuft und davon immer relativ viele Zuschauer übrig bleiben, hatte Anne Will die Nase vorn. Zweiter Sieger: Frank Plasberg, der "Hart aber fair" seither am Mittwochabend sendet. Was aber zunächst als salomonische Lösung galt, gilt nun als Problem: weil so die "Tagesthemen" leiden, die am Mittwoch immer erst Plasberg abwarten müssen. In zweiter Linie äußern ungenannte ARD-Insider Woche für Woche den Wunsch, Plasberg auf den Sonntag und Will wegzurücken.

Wer ins Reich der ARD hineinhört, hört die erstaunliche Nachricht, dass die ARD-Chefs zur Plasberg-Verlegung auch deshalb noch nichts beschlossen haben, weil noch auf die Fußball-Champions-League gehofft wird und sich dann sowieso kein einheitlicher "Tagesthemen"-Start machen ließe. Nicht zu finden bei der ARD ist jemand, der sich mit einer Anti-Will-Meinung zitieren lassen will. Zu haben sind Ansichten darüber, woher die Störschüsse kommen. Aus München, vom SWR und vom MDR, meinte der Focus. Andere vermuten nach dem Cui-bono-Prinzip, nur der Plasbergsender WDR könne davon profitieren.

Will leidet unterdessen sichtlich unter der Kritik. Eher ohne ihre Mitwirkung entwickelte sich am Sonntag die angekündigte Neiddebattendebatte zum Austausch bildungspolitischer Allgemeinplätze. Als der aus irgendeinem Grund geladene DJ Paul van Dyk forderte, "Elite" erst mal zu definieren, entgegnete Will: "M-hm" und fragte bei Politikern parteipolitische Positionen ab. Das alte Christiansen-Leid: Interessenvertreter bringen "erst mal grundsätzlich" ihre Positionen unter. Die zur Auflockerung geladenen Nichtpolitiker erzählen von ihren Kindern und tragen zur Zerfaserung bei.

Und doch hat auch diese Show überdurchschnittliche 14,7 Prozent Marktanteil erreicht. Will macht, was sie soll. Politiker jener Parteien, die in den Parlamenten und Rundfunkräten sitzen, präsentieren sich Millionenpublikum. Journalisten beklagen danach "beeindruckende Kläglichkeit" und "klebrig-süßen Betroffenheitssirup", was die Bedeutung der Sendung unterstreicht. Das eigentliche Problem wurde am Sonntag aber deutlich, als vom Betroffenensofa die Ansicht kam, Kinder dürften kein Armutsrisiko sein. Das stimmt, erinnerte aber fatal an die letzte Plasberg-Show ("Kinder als Armutsrisiko").

Ähnlich wie die Anne-Will-Show darf man sich die ARD-Debatten um den Talk vorstellen: Ab und an fällt eine korrekte Aussage. Etwa die nun im Spiegel anonym zitierte Erkenntnis, "auf Dauer sind zwei Politrunden eine zu viel". Denn die ARD-Binnenkonkurrenz von Plasberg, Will, Sandra Maischberger und Reinhold Beckmann hat den Gemeinplatz, Konkurrenz würde das Geschäft beliebig beleben, widerlegt: Im TV-Getalke stärkt die Konkurrenz die Beliebigkeit. Eine Reduzierung der Politrunden könnte der richtige Schritt sein. Das von ihr selbst vorangetriebene Prinzip, talking heads mit vermeintlichen Starqualitäten Namensshows zu geben, infrage zu stellen, ist aber von der ARD nicht zu erwarten.

Vor dem Hintergrund fiel Günther Jauch am Sonntag angenehm auf. Er redete nur, wenn er gefragt wurde, verzog die Miene zum Zeichen des Interesses und belehrte alle, die glaubten, er würde bei komplexen Themen lange Sätze sinnvoll beenden, eines Besseren. Jauch wäre, das hat er uneitel bewiesen, für den Sonntagstalk auch keine Lösung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • TM
    Tatjana Merk

    Ich glaube der gute Herr ist etwas "verärgert" das Anne Will lesbisch ist, so wie manch anderer auch.

     

    Jetzt aber mal zum wesentlichen, die Sendung und die Einschaltquoten!

    Frau Will hat wesentlich bessere Einschaltquoten als Frank Plasberg und Frau Christiansen. Anne Will hat im durchschnitt 4,1 Mill. Zuschauer, Frau Christiansen hatte 2006/07 3,7 Mill. und Plasberg hat NUR 3,4 Mill. Zuschauer im Durchschnitt. Da ist doch ganz klar, wer die bessere Arbeit mach. Ganz eindeutig Frau Will, Herr Plasberg hat, wo er jetzt bei der ARD ist, ganz schön an Biss verloren. Für den Sonntag reicht es bei Ihm noch lange nicht! Sie, und die ganzen anderen Kritiker die immer mit den schlechten Einschaltquoten von Frau Will daher kommen sollten sich erst einmal richtig Informieren. Erst Informieren dann nachdenken und dann erst schreiben!!!!

  • A
    AnneBoleyne

    @Joachim Bovier

    Haben Sie jetzt ein neues Hobby entdeckt? Schön für Sie. Sie finden sicher noch ein paar Artikel zu Anne Will, die Sie wiederum mit dem haargenau gleichen Posting bedenken können.

    Ich wiederum finds eher billig. Aber das ist der ganze fanatische Eifer um bzw. gegen Anne Will mittlerweile soundso.

  • JB
    Joachim Bovier

    Die letzte Sendung „Anne Will“ ist weiterer Beleg wie dringlich es ist, die Dame zumindest für den prominenten Sendeplatz am Sonntag Abend endlich auszusortiern.

    Seitdem sonntags Anne Will versucht Sabine Christiansen zu ersetzen, kann man getrost früh schlafen gehen, zu verpassen gibts garantiert nichts! Die angebliche Wunderwaffe der ARD entpuppt sich als in jeder Hinsicht durchschnittlich: Ihr fehlen nicht nur Charme, Erotik und Wortwitz einer Sabine Christiansen sondern auch die Sachkenntnis und Autorität des Hausherrn eines Frank Plasberg. Anne Will ist eine Frau bestenfalls auf dem unerträglichen Kerner-Beckmann-Niveau und allenfalls zum Versenden nach der Geisterstunde geeignet. Die Programmverantwortlichen hätten von vornherein wissen müssen, dass diese graue Maus keine Nachfolgerin der Institution Christiansen sein kann. Ihre Kollegin Sandra Maischberger ist da schon um Klassen besser, ideal wäre für eine Begriffe allerdings eine mit allen Wassern gewaschene professionelle Politjournalistin wie Marion von Haaren oder ein liebenswerter Charmebolzen wie Susanne Holst.