Politologe über Roland Koch: "Als Kanzlerkandidat erledigt"
Roland Koch versteht nicht, wie das aufgeklärte Bürgertum tickt, sagt Politologe Franz Walter. Er prognostiziert: Einen "solchen Versager" wird die CDU nie als Kanzlerkandidaten aufstellen.
taz: Herr Walter, Roland Koch hat seine Wahl in Hessen dramatisch verloren. Selbst schuld?
Franz Walter: Ja. Koch ist für sein Desaster allein verantwortlich. Denken Sie mal zurück: In den ersten Hessen-Umfragen lag die CDU 10 Prozentpunkte vor der SPD. Koch hat also mit der Jugendgewalt-Debatte eine Kampagne initiiert, die genau das Gegenteil von dem bewirkt hat, was sie sollte. Die geringste Unterstützung hatte Koch unter Hochschulabsolventen, auch bei Frauen kam dieser brutale Kampagnenstil nicht an. Koch hat nicht verstanden, dass das Bürgertum aufgeklärt - und in den vergangenen Jahren femininer - geworden ist.
Will heißen: Aufgeklärte CDU-Wähler haben sich mit Grausen abgewendet?
Kochs Strategie ging voll nach hinten los. Erst durch seine Kampagne wurde bekannt, wie katastrophal seine landespolitische Bilanz bei den wichtigen Themen Innere Sicherheit und Bildung aussah. Er setzte auf Ressentiments, was auf die Unterschicht zielt. Dagegen hat Roland Koch nicht erkannt, wie wichtig die Bildungspolitik für die bürgerliche Mitte ist. Das achtjährige Gymnasium in Hessen funktioniert katastrophal, Panne reiht sich an Panne - und Bildungsbürger treibt die Sorge um die Zukunft ihrer Kinder eben mehr um als die Angst vor kriminellen Ausländern.
Ist Koch damit als CDU-Kanzlerkandidat der Zukunft erledigt?
Mit Sicherheit. Die Art und Weise Politik zu machen, für die Koch steht, funktioniert in der gewandelten Republik nicht mehr. Seine Niederlage zeigt deutlich, wie sehr Roland Koch als Taktiker überschätzt wurde. Sein Wettern gegen einen kommunistisch unterstützten Linksblock, sein schlichtes Freund-Feind-Schema war nicht nur rückwärtsgewandt - es offenbarte fast schon pathologische Züge. Kurz und gut: Seine Wahlkampagne war eine gigantische Fehlleistung, die die Bundesrepublik in ihrer Geschichte so noch nicht erlebt hat. Und einen solchen Versager wird die CDU nicht als Kanzlerkandidaten nominieren.
Wie verschieben die Ergebnisse das Machtgefüge in der CDU?
Die Christdemokraten haben zwei harte Lektionen gelernt: Ein auf Ökonomie und neoliberale Themen zugespitzter Wahlkampf funktioniert ebenso wenig, wie ein konfrontativer Anti-Links-Wahlkampf. Auch deshalb nicht, weil beides die Wähler der SPD mobilisiert. Die CDU muss sich also strategisch umorientieren.
Christian Wulff steht hingegen als strahlender Sieger da. Warum dieser klare Sieg?
Er hat die Wähler mit seinem landesväterlichen Auftritt sediert und auch Themen der SPD für sich besetzt. Er hat die Sozialdemokraten thematisch enteignet - mit Erfolg.
Ist er nun eindeutig der starke Mann hinter Kanzlerin Merkel?
Sie wird ihn noch kritischer beäugen als bisher. Ab jetzt werden die politischen Beobachter und Auguren jeden Nebensatz Wulffs, jede Andeutung mit Blick auf eine mögliche Kanzlerkandidatur interpretieren. Und natürlich ist nicht anzunehmen, dass es ihm reicht, die nächsten fünf Jahre zwischen Meppen und Duderstadt hin- und herzufahren. Dennoch gilt, auch wenn es simpel klingt: Berlin ist nicht Hannover. Und eine Politik des Sedierens und Umarmens reicht auf Dauer nicht, er braucht zwei, drei politische Projekte.
Hat Merkel auch verloren? Sie hat Koch schließlich unterstützt.
Das glaube ich nicht. Erstens: Hätte sie ihn nicht gestützt, würden nun Teile der CDU eine Dolchstoßlegende konstruieren - schließlich wäre sie unsolidarisch gewesen. Zweitens: Die Wahlen haben gezeigt, dass man mit liberaleren Ansätzen, mit Bildungspolitik gewinnen kann. Und genau für solche Akzente steht sie, das zeigt etwa die Familienpolitik der CDU.
INTERVIEW: ULRICH SCHULTE
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