Kommentar Hessenwahl: Keine Krawallschachtel-Konservativen

Das Ergebnis der Hessenwahl ist ein Sieg für die demokratische Kultur: Die Wähler lassen sich mit Angstwahlkämpfen nicht mehr einfangen.

Roland Koch hat mehr als 12 Prozent verloren. Das ist die gute Nachricht dieser Wahl. Und es ist eine ziemlich eindeutige Botschaft an die CDU.

Kochs plumpes Kalkül ist nicht aufgegangen. Die scharfe Rhetorik gegen jugendliche Migrantenkriminalität und die unverfroren deutschtümelnden Plakate gegen "Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten" haben der hessischen CDU nichts gebracht. Vielleicht hat sie sich mit dieser Kampagne sogar geschadet. Dass dieser üble Populismus nicht gezündet hat, ist in jedem Fall ein Sieg für die demokratische Kultur. Er zeigt, dass sich die Wähler, anders als 1987, als Walter Wallmann gewann, und 1999, als Koch siegte, mit Angstwahlkämpfen nicht mehr einfangen lassen. Mit Minderheitenbashing Mehrheiten organisieren - diese Allzweckwaffe der Konservativen funktioniert nicht mehr. Mal sehen, ob die CDU-Zentrale diese Lehre aus der Hessenwahl beherzigt.

Befördern müsste diese Erkenntnis auch der Blick nach Niedersachsen. Dort hat Christian Wulff die Wahl gewonnen, auch wenn er Prozente verloren hat. Wulff hat sich konziliant gegeben und die Mitte besetzt. Die Botschaft der Wähler an die Union lautet: Bitte keinen Krawallschachtel-Konservativismus!

Für die SPD ist das Resultat ebenfalls leicht zu entziffern. Wer wie Wolfgang Jüttner versucht, sich auch noch in die Mitte zu drängeln, geht unter und wird mit dem Einzug einer starken Linkspartei ins Parlament bestraft. In Hessen indes hat Andrea Ypsilanti mit ökosozialem Profil und der Bildungsgerechtigkeit die SPD aus dem politischen Wachkoma geführt. Über Hessen hinaus zeigt Ypsilantis Gewinn: Es gibt wieder eine ernst zu nehmende SPD-Linke. Seit Jahren führt sie ein Schattendasein, ihre Sprecher waren melancholische Figuren wie Ottmar Schreiner, die Niederlagen einsammelten. Ypsilanti & Scheer haben jetzt gezeigt, dass man mit einem ökosozialen Reformprogramm gewinnen kann.

Für die Republik bedeuten die beiden Ergebnisse: Das Fünfparteiensystem mit der Linkspartei ist Normalität geworden. Und Kurt Beck wird die SPD weiter für Gerechtigkeitsthemen öffnen. Wenn er klug ist, noch viel stärker als bisher.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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