Politologe über Brandstiftung in Berlin: "Die Politik ist eine Antwort schuldig"
Wichtiger, als die Polizei aufzustocken, ist es die Motive der Autobrandstifter ernst zu nehmen. Das meint zumindest Politologe Hans-Gerd Jaschke.
taz: Herr Jaschke, was sind die Motive der Leute, die derzeit in Berlin reihenweise Autos abfackeln?
Hans-Gerd Jaschke: Es ist ganz leicht, Autos anzuzünden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Rache am Expartner, Mietpreiserhöhungen - Stichwort "Gentrifizierung" -, und dann gibt es sicher auch Trittbrettfahrer.
Warum brennen in Charlottenburg Autos, wo Gentrifizierung, anders als in Friedrichshain, kein großes Thema ist?
Wenn die Polizei sagt, wir setzen im Friedrichshain hundert zusätzliche Beamte ein, ist das die logische Konsequenz. Der Täter geht dorthin, wo weniger Polizisten sind. Diesen Ausweicheffekt können wir auch in der Drogenbekämpfung beobachten.
Sind solche personellen Aufstockungen ein Fehler?
ist Politologe an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin im FB Polizei und Sicherheitsmanagement.
Diese Ankündigungen sind präventiv. Da die gesamte Stadt nicht gleichmäßig überwacht werden kann, muss man sich auf einige Kieze beschränken.
Sehen Sie Parallelen zu den Krawallen in London?
Nein. Soweit ich das einschätzen kann, waren die Brandschatzungen in England durch soziales Elend motiviert und konsumistisch orientiert: "Wir nehmen uns, was uns eigentlich sowieso gehört."
Werden die Brände in Berlin auch Auswirkungen auf die Senatswahlen haben?
Ich denke schon. Die Bürger machen sich Gedanken über ihre Sicherheit. Wenn es immer und immer wieder Brandserien gibt und die Polizei sie nicht in den Griff bekommt, dann ist die Politik eine Antwort schuldig. Denn diese Brandserie schädigt sowohl das Investitionsklima der Stadt als auch ihr Ansehen. Da überlegen sich die Bürger schon, wem sie in diesem Bereich vertrauen.
Kann die Politik irgendetwas unternehmen, um diese Brandserie zu stoppen?
Eine personelle Verstärkung der Polizei ist sicher nicht verkehrt. Viel wichtiger ist aber, die Gentrifizierung durch die Bürger mitgestalten zu lassen.
Was erhoffen Sie sich davon?
Dass die Bewohner nicht mehr das Gefühl haben, die Umstrukturierung läuft gegen sie. Wenn Mietpreise offen diskutiert werden und Mieterhöhungen gestoppt werden, werden wohl auch weniger Leute aus politischen Gründen Autos abfackeln.
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