Politisierte Basketballprofis in den USA: Kampf gegen Trump
Während Dennis Schröder in den Playoffs glänzt, wächst in der Liga das Entsetzen über den Rassismus in den USA.
R ichtig gut läuft es gerade für Dennis Schröder. Anfang August wurde der deutsche Basketballer zum zweiten Mal Vater und nun hat er so viele Punkte in einem NBA-Playoff-Spiel erzielt wie noch nie. 30 Zähler standen am Ende für den 26-Jährigen zu Buche, damit war er Top-Scorer seines Teams – und noch wichtiger: Die waren nötig, um den 117:114-Sieg von Oklahoma City Thunder gegen die Houston Rockets zu sichern. Die Serie ist jetzt ausgeglichen, beide Teams haben zwei Spiele gewonnen, beide benötigen noch zwei Siege, um das Viertelfinale zu erreichen. Das nächste Spiel findet in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag statt – wie alle anderen Begegnungen auch in der Blase, die die NBA in der Disney World in Florida errichtet hat.
Diese Blase hatte Schröder wegen der Geburt seines Kindes einige Wochen verlassen, anschließend musste er in Quarantäne, bevor er wieder voll ins Mannschaftstraining einsteigen konnte. Nun wird der deutsche Nationalspieler von Spiel zu Spiel besser. Zu Spielbeginn sitzt er zwar nur auf der Bank, aber spielt schlussendlich mehr Minuten als mancher aus der Startformation von Oklahoma City. Vor allem steht er meist, wenn das Spiel in die entscheidende Phase geht, mit Chris Paul, dem unumstrittenen Star des Teams, auf dem Parkett. „Dennis ist einer meiner liebsten Teamkameraden“, lobte Paul, einer der besten Aufbauspieler aller Zeiten, den Braunschweiger bei der Pressekonferenz nach dem Sieg. „Wir haben viel gemeinsam – ich weiß, er wird immer kämpfen.“
Doch die gute Leistung Schröders verkam schnell zur Randnotiz. Chris Paul war selbst durch seinen Mund- und Nasenschutz anzusehen, dass er davon erschüttert war, was sich am Sonntag in Wisconsin zugetragen hatte. In der Stadt Kenosha war der 29-jährige Jacob Blake von Polizisten mit sieben Schüssen schwer verletzt worden.
Später tauchten in den sozialen Medien Aufnahmen des Vorfalls auf. Die zeigen deutlich, dass der unbewaffnete Afroamerikaner, der mit lebensbedrohlichen Verletzungen im Krankenhaus liegt, aus kürzester Distanz und ohne, dass er die Polizisten bedroht hätte, in den Rücken geschossen wurde. „Ich bete für Jacob Blake und seine Familie“, sagte Paul, als langjähriger Präsident der Spielergewerkschaft traditionell ein Sprachrohr der Profis. „Das sind genau die Dinge, wegen denen wir beschlossen haben, hierherzukommen und zu spielen, um über soziale Ungerechtigkeiten zu sprechen. Aber diese Dinge geschehen weiterhin – und das ist nicht richtig.“
Gewagte These
Pauls Interpretation, dass die NBA die Playoff-Mannschaften nicht in erster Linie in Orlando zusammengezogen hat, um wenigstens einen Teil der durch die Coronazwangspause verlorenen Einnahmen zu sichern, ist zwar gewagt. Aber es stimmt, dass die NBA viel offener war für Proteste und die sozialen Anliegen ihrer Angestellten als die anderen großen Sport-Ligen.
Auf Initiative der Spieler tragen während der Spiele in Orlando fast alle auf dem Trikot einen politischen Slogan wie „Black Lives Matter“ oder „Power to the People“. Andere werben für Werte wie „Equality“ oder „Freedom“ oder unterstützen Anliegen wie „Education Reform“. Eine Aktion, die nicht unbemerkt bleibt: US-Präsident Donald Trump führt seit Wochen auf Twitter einen Kleinkrieg gegen die NBA. Profis, die ihn kritisieren, bezeichnet er als „sehr garstig“ und „sehr dumm“.
Einer der lautesten Kritiker von Trump und seiner Politik ist LeBron James. Auch das Aushängeschild der NBA äußerte sich zu dem tragischen Vorfall in Kenosha: „Ganz ehrlich: Unsere Gesellschaft ist kaputt. Ich weiß, viele können es nicht mehr hören, aber wir als Schwarze haben Angst in diesem Land. Schwarze Männer, schwarze Frauen, schwarze Kinder sind in Panik.“ James kann die Präsidentschaftswahlen nicht erwarten: „Hoffentlich wird sich etwas ändern. Und ich glaube, dieser Wandel beginnt im November.“
Ein Wandel, zu dem James und andere US-Sportstars beitragen wollen, indem sie „More Than A Vote“ unterstützen. Die Organisation, die von James, NFL-Quarterback Patrick Mahomes und vielen anderen afroamerikanischen Stars aus Sport und Entertainment wie der Sängerin Toni Braxton unterstützt wird, wirbt dafür, dass sich mehr Menschen als Wahlhelfer registrieren lassen, um so zu garantieren, dass jeder seine Stimme abgeben kann am 3. November.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP