piwik no script img

Politischer Aschermittwoch der CSUBesinnungslos populistisch

Die CSU hat sich beim politischen Aschermittwoch so aggressiv wie lange nicht mehr präsentiert. Sie will eine Volksabstimmung über Integration und Leitkultur.

Politik zwischen Bierseideln: Horst Seehofer in Passau. Bild: dpa

PASSAU taz | Am Ende feiern sie sogar Edmund Stoiber. Erst singen Hunderte in der Passauer Dreiländerhalle euphorisch "Oh wie ist das schön", dann rufen sie "Edmund, Edmund", bis Stoiber endlich auf die Bühne steigt und seinen Parteifreunden zuwinkt. Sie bejubeln ihn wie die kommende Lichtgestalt der Partei.

Ihn, den 2007 von den eigenen Leuten abgesägten Ex-CSU-Chef und Ex-Ministerpräsidenten. An diesem Vormittag ist der CSU schlicht keine Geste zu bizarr. Beim Politischen Aschermittwoch präsentiert sich die bayerische Union so besinnungslos berauscht und selbstzufrieden wie lange nicht. Es hätte fast etwas harmlos-nostalgisches, wäre da nicht diese Ankündigung. CSU-Chef Horst Seehofer macht sie kurz nach Beginn seiner Rede.

Seehofer kündigt an, er werde die Bayerische Verfassung ändern. Dort solle in Zukunft von MigrantInnen ein Bekenntnis zur deutschen Sprache eingefordert werden, so Seehofer. Man wolle festlegen, dass Integration "aus Fordern und Fördern besteht". Die Verfassungsänderung wolle er dem bayerischen Volk zur Abstimmung vorlegen. Eine Volksabstimmung über Integration und Leitkultur – das ist politischer und gesellschaftlicher Sprengstoff.

Volksentscheide in Bayern

Verfassungsänderung von oben: Bei der Initiative von oben bringt eine Fraktion den Gesetzentwurf für eine Verfassungsänderung in den Landtag ein. Wenn dieser mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wird, muss danach eine Volksabstimmung stattfinden. Die Verfassungsänderung tritt in Kraft, wenn sie im Referendum mehr Zustimmung als Ablehnung erhält.

Die Bestätigung einer Verfassungsänderung per Volksentscheid ist eine bayerische Besonderheit. Auf Bundesebene genügt für Grundgesetzänderungen eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Nur Hessen hat eine ähnliche Regelung.

Verfassungsänderung von unten: Bei einem Volksbegehren müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten für den Vorschlag stimmen. Wenn er im Landtag keine Zweidrittelmehrheit bekommt, findet ein Volksentscheid statt. Die Verfassungsänderung kommt zustande, wenn mehr Bürger mit Ja als mit Nein stimmen und zugleich die Ja-Stimmen mindestens 25 Prozent der Wahlbevölkerung ausmachen. (chr)

Was Seehofer in Passau nicht sagt: Nach Artikel 75 der Bayerischen Verfassung kann diese im Landtag nur durch eine Zweidrittelmehrheit geändert werden. Die CSU hat ohne ihren Koalitionspartner FDP nicht einmal die einfache Mehrheit. Und dass die Opposition ihm hilft, die nötige Mehrheit zu beschaffen, ist unwahrscheinlich. Seehofer hat für seine geplante Verfassungsänderung also nur eine Chance: Die CSU muss ein Volksbegehren in Bayern organisieren und bei den Wählern Unterschriften sammeln - für strengere Regeln bei der Integration.

Das erinnert an die von Roland Koch initiierte Unterschriftensammlung der Hessen-CDU gegen die Doppelte Staatsbürgerschaft Ende der 1990er Jahre. SPD, FDP und Grüne kritisierten die Aktion damals zwar als populistisch, die Union gewann dafür Zustimmung bei rechtskonservativen Wählern.

Guttenberg ist allgegenwärtig

Da die bayerische Landesverfassung im politischen Alltag nur eine verschwindend geringe Rolle spielt, hätte die CSU-Initiative rechtlich nur geringe Auswirkungen, doch die Polarisierung wäre gewaltig. Horst Seehofer und die CSU präsentieren sich damit an diesem Aschermittwoch so aggressiv und populistisch wie lange nicht. Um nach dem Rücktritt von Parteiliebling und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg keine Schwäche zu zeigen, gab sich Parteichef Seehofer besonders angriffslustig.

Doch der zurückgetretene Freiherr ist in Passau allgegenwärtig. Als Seehofer zum Bayerischen Defiliermarsch lächelnd und winkend in die Halle einzieht, halten nur ein paar Schritte hinter ihm CSU-Anhänger Guttenberg-Fotos und -Transparente in die Kameras. "K.T.G. Lass uns nicht im Stich", steht auf ihnen. "Nur mit KT erreicht die CSU 50 Plus X" und "Wir wollen Guttenberg zurück".

Der CDU-Ortsverband aus dem Baden-württembergischen Schönbrunn trägt sogar T-Shirts mit Guttenbergs Gesicht darauf. Immer wenn der Name Guttenberg fällt, schwallt ausgedehnter Jubel durch die Halle. Der neue CSU-Minister in der Bundesregierung, Hans-Peter Friedrich, wird von den CSU-Fans eher freundlich beklatscht. Horst Seehofer greift in seiner Rede dafür Friedrichs Islamkritik von vergangener Woche dankbar auf, ruft: "Wir lassen uns diese deutsche Leitkultur von niemandem ausreden."

Er lobt die harte Linie der CSU in der inneren Sicherheit. "Wenn die bayerischen Polizisten den Helm aufsetzen, dann marschieren die Demonstranten davon", sagt Seehofer. "Das ist bayerische Sicherheitspolitik." Und er beschimpft die Grünen und die Linke. Seehofer: "Aus der Partei der Steinewerfer und RAF-Sympathisanten und von den Stasi-Kommunisten lassen wird uns nicht Anstand und Moral predigen." Die Anhänger klatschen zustimmend.

Doch großer Jubel bricht erst bei einem Thema aus: Karl-Theodor zu Guttenberg. "Ich werde, wenn er und seine Familie etwas Abstand gewonnen haben, als Parteichef alles tun, dass Karl-Theodor zu Guttenberg zurückkehrt in die bayerische und deutsche Politik", schreit Seehofer. Minutenlang feiern die CSU-Fans darauf den zurückgetretenen Minister. In den hinteren Reihen stehen sie auf und schwenken weißblaue Fahnen.

Schon nach einer Woche mag die CSU-Basis kaum mehr auf die Rückkehr ihrer Lichtgestalt haben. Doch bis Guttenberg wieder aktiv wird, kann es Monate dauern - oder Jahre. Bis dahin haben sie bei der CSU nur Horst Seehofer und seine populistischen Ansichten zur Integration. "Für einen gesunden Patriotismus muss man sich nicht entschuldigen", meint Seehofer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

25 Kommentare

 / 
  • B
    Beteigeuze

    @vic

    Er wird das Bundesverdienstkreuz bekommen, sollte sich eine deutliche Zuwanderungsbeschraenkung aus der Volksbefragung ergeben.

    Dieser Konsequenz wird er sich stellen muessen.

  • D
    Dingens

    Lustig, Seehofer nennt andere Parteien Stasi-Kommunisten. Welche Partei will denn die gesamte bevölkerung mit VDS überwachen? Welche Partei will denn, dass die Polizei in Privatcomputer einbrechen darf? Welche Partei will denn die Videoüberwachung flächendeckend ausbauen? Richtig, die CDU/CSU. Was für ein verlogenes Pack. Es gibt wieder Arbeit für die Verfassungsrichter.

  • S
    swirni

    Puuh...,was Menschen aus Verzweiflung so alles tun!?Naja...`Vorbild:Politiker´???

  • A
    alabasta

    Manchmal hatte ich schon Zweifel ob es richtig war in den 80-iger Jahren von Bayern nach Berlin zu emigrieren. Nach dem heutigen Studium der Tagespresse über den sog. 'politischen Aschermittwoch' in Passau, fühle ich mich in meiner Entscheidung auch nach 27 Jahren ein weiteres mal bestärkt. Sachverhalte zu vereinfachen um es dem 'Volk' verständlich zu machen ist nachvollziehbar aber die Sprüche die gestern in Passau losgelassen wurden haben schon fast nichts mehr mit Populismus zu tun - das nähert sich der Hetze. Na ja, der Vergleich hinkt vielleicht aber: eine verletzte Wildsau wird noch aggressiver.

  • DH
    Dennis H.

    Und ich fordere ein Bekenntnis zum Grundgesetz - von der CSU!

     

    Kann ja nicht sein, dass die unsere Wertee mit Füssen treten...

  • VR
    Volker Rockel

    Eine Partei, die offensichtlich einen ganz "gewöhnlichen Betrüger" zur politischen Lichtgestalt erhebt, muss sich der Frage stellen: "Welchen Anspruch an politische Legitimation sie eigentlich noch selber an sich hat!?"

  • V
    vic

    Seehofer will also eine Volksabstimmung über Integration und Leitkultur.

    Will Seehofer danach auch für die Konsequenzen verantwortlich sein?

  • V
    vic

    Seehofer tut, was er am besten kann: Dem Volk nach dem Maul reden. Ein-und Zuwanderer verunglimpfen kommt an beim Deutschen im allgemeinen und beim Bayern im besonderen.

    Wer ansonsten nichts zu bieten hat, muss eben auf die bescheidenen Mittel zurückgreifen, über die er verfügt.

  • B
    bernd

    Gibts auch einen Bericht ueber die Ausfaelle auf dem SPD- und Gruenen-Politaschermittwoch?

  • HS
    h. stoss

    kann mir wer diesen Satz erklären?

     

    Schon nach einer Woche mag die CSU-Basis kaum mehr auf die Rückkehr ihrer Lichtgestalt haben. Doch bis Guttenberg wieder aktiv

  • V
    voreingenommen

    Mal ehrich, glaubt die TAZ wirklich, dass irgendjemand diesen Artikel liest und sich dann über die böse CSU aufregt?

     

    Habe heute weite Teile des Grünen-Treffens gesehen. Was dort abging war an Populismus kaum noch zu übertreffen. Aber das kann die TAZ nicht sagen, weil dann gäbe es wohl einen Aufstand der einen Anhängerschaft.

  • A
    alcibiades

    "gesunder Patriotismus", meine Fresse. Die CSU ist entweder komplett irre geworden oder steht komplett mit dem Rücken zur Wand. Hauptsache, sie bekommen ihren Jesus zurück. Ich hoffe, die Justiz klärt bis zu dessen Wiederkehr hinreichend, ob und in welchem Umfang er sich im Sinne des § 106 (Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke) schuldig gemacht hat. Passt auf, der wird noch Bildungsminister. Der Otto Wiesheu von der CSU hat im Suff einen totgefahren und was war er später: Verkehrsminister.

  • S
    Szeneputzer

    Ihre Berichterstattung ist populistisch

  • W
    Wahrheitsfreund

    Nun, dass Migranten zwingend die deutsche Sprache lernen müssen, wenn sie hier leben wollen, ist ja wohl selbstverständlich. Was ich viel schlimmer an seiner Rede finde, ist die Tatsache, dass er offenbar nichts von demokratischen Demonstrationen hält und die Grünen und Linken mal wieder diffamiert. An deren Stelle würde ich ihn dafür verklagen, irgendwann reicht es mal. Seehofers Geisteszustand wird immer bedenklicher, andere wären längst in der Anstalt gelandet, in Bayern scheint das aber kein Problem zu sein.

  • G
    Günther Ö.

    Wenigstens gabs was zu Lachen.. Aber selbst das konnte die CSU besser: als noch Edmund "Versprecher" Stoiber die Reden gehalten hat...

     

    Alles geht den Bach runter.

  • D
    Demokrat

    Naja, aber die Grünen und Linken müssten einer Volksabstimmung zu dem Thema auch offen gegenüber stehen. Oder bleiben die dabei am Volk vorbei zu regieren?

  • DG
    Dirk Gober

    "Die CSU hat sich beim politischen Aschermittwoch so aggressiv wie lange nicht mehr präsentiert. Sie will eine Volksabstimmung über Integration und Leitkultur."

     

    Durchgeknallt, der Verfasser? Volksabstimmungen sind also "aggressiv" und populistisch? Ach so, klar - wenn das Ergebnis nicht manipulierbar und ins Weltbisld passt, dann ist Volksabstimmung Teufelszeug, ansonsten kann man mit den Begriff ja gut Propaganda machen.

  • A
    Alexander

    Ich will eine Volksabstimmungen über Bildungstests für Politiker.

     

    http://www.youtube.com/watch?v=x18vfsuGnm8

  • AF
    Axel Foley

    Das Fest einer Bande, die niemand so treffend charakterisieren konnte, wie ihr eigener Tränensack Horst: "Grüß Gott!" Aber nicht nur hat sich darin schon das csu-bayrische Sprachvermögen vollständig erschöpft. Es ist das bündige Kommando jener kulturellen Überlieferung, die sich heute wieder zur Totalität aufspreizen möchte. "Das ist bayerische Sicherheitspolitik."

  • J
    Jottka

    Mit 50 + x kann hoffentlich nur das Alter der CSU-Wähler gemeint sein.

    Dass Herr Seehofer sich erdreistet „die Aufklärung“ und „christliche Fundamente“ in einem Satz zu verwursten, zeigt, wie bildungsfern dieser Mann sein muss.

     

    Diese immense Selbstsicherheit der CSU in Bayern sowie der CDU (in Ba.-Wü.) sollte einem eigentlich Angst machen, ob wir überhaupt noch saubere Wahlen haben.

  • FB
    Franz Beer

    Das die CSU und Ihr König Seehofer den Bezug zur Realität verloren hat ist spätestens seit Wiki Bekannt.Also man muß ja schon Angst haben vor diesen Rechten Populisten,die einem NPD-Kader in nichts nachstehen.Herrn Seehofer ist entgangen das spätestens seit den 60-70ern in Deutschland der Islam angekommen ist.Ausnahme BAYERN.?Diese ,,Integrationsdebatte ist nur noch zum Kotzen.Was bezwekt die CDU-CSU damit immer wieder auf diese Schiene rumzureiten? Es isoliert ,grenzt ab,u isoliert ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland ab,aus Wahlpolitischen Gründen.Man sollte meinen das Politiker seit 45 nichts dazugelernt haben.Ich bin kein Befürworter der ,,DEUTSCHEN LEITKULTUR,,weil die hatten wir schon mal .

  • W
    Waage

    Das ein Mann in Seehofers Alter (Schopenhauer würde sagen, dass er schon die Gruft vor Augen hätte) es nötig hat, kurz vor Torschluss noch so ein bizarres Tänzchen aufzuführen wundert mich schon ein wenig.

  • WL
    W. Lorenzen-Pranger

    Im Ernst? Dieser Mann, der bis heute nicht begriffen hat welchen Schaden K. T. zu Guttenberg am Bildungsstandort Deutschland angerichtet hat, redet immer noch von Leitkultur?

    Wäre der Witz nicht schon sooo alt, könnte man da ja noch einmal scherzhaft nur noch von Light-Kultur reden - allerdings reicht bei Seehofer wohl auch dafür schlicht die Hirnkapazität wohl nicht...

  • F
    Fordler

    "Man wolle festlegen, dass Integration "aus Fordern und Fördern besteht". Die Verfassungsänderung wolle er dem bayerischen Volk zur Abstimmung vorlegen. Eine Volksabstimmung über Integration und Leitkultur – das ist politischer und gesellschaftlicher Sprengstoff".

    -------------------------------------------------------

    Also, dass mit dem Fordern und Fördern kann wohl jeder Demokrat unterschreiben. Und Volksabsimmungen sind doch bei Linken, Grünen usw. sehr in Mode, wenn es um Projekte geht, die ihnen nicht so recht passen.

  • GM
    Gosig Mus

    Spinner. Genau die Leute die auch einen Diktator ins Amt jubeln würden. Ekelhaft.