Politische Krise in Venezuela: Europäisches Ultimatum an Maduro
Fünf europäische Staaten verlangen eine Neuwahl in Venezuela. Ein Militärattaché in Washington hat sich von Staatschef Nicolás Maduro losgesagt.
Der 35-jährige rechte Oppositionspolitiker Juan Guaidó hatte sich vergangenen Mittwoch selbst zum Interimspräsidenten erklärt und damit offen gegen Nicolás Maduro gestellt. Während die USA, Kanada und mehr als ein Dutzend lateinamerikanischer Länder ihn anerkennen, lehnen Russland, China, Iran, Bolivien, Nicaragua und die Türkei ihn ab und haben Maduro ihre Unterstützung zugesagt. Jetzt haben auch die EU-Staaten reagiert.
„Das venezolanische Volk sollte in der Lage sein, frei über seine Zukunft zu entscheiden,“ twitterte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ ihre Vize-Regierungssprecherin Martina Fietz verkünden: „Das Volk Venezuelas muss frei und in Sicherheit über seine Zukunft entscheiden können.“ Und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez erklärte: „Wir möchten keine Regierungen von der Macht verdrängen, aber wir wollen Demokratie und freie Wahlen in Venezuela.“
Die Erklärungen erfolgten getrennt, da sich die 28 EU-Staaten zunächst nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnten. Vor allem Griechenland und Österreich wiedersetzten sich einem Ultimatum. An Samstagnachmittag einigten sie sich in Brüssel dann doch noch auf die gemeinsame Forderung nach zeitnahen Neuwahlen. Zwar ohne ein Ultimatum zu stellen, aber EU- Außenbeauftragte Federica Mogherini machte deutlich, sollte „in den nächsten Tagen“ keine Neuwahlen angekündigt werden, würde weitere Maßnahmen ergriffen, darunter auch eine mögliche Anerkennung Guaidós.
Venezuela lehnt Fristen ab
Nahezu zeitgleich tagte in New York der UN-Sicherheitsrat. Die USA hatten eine Dringlichkeitssitzung zur Lage in Venezuela beantragt. „Mit Juan Guaidó hat Venezuela jetzt einen neuen Präsidenten, der versprochen hat Wahlen abzuhalten, die verfassungsgemäße Ordnung und die Sicherheit in der Region wiederherzustellen,“ sagte US-Außenminister Mike Pompeo. Ausdrücklich warnte er die Regierung in Caracas davor, gegen die verbleibenden US-Diplomaten in Venezuela vorzugehen. Staatschef Nicolás Maduro hatte das gesamte US-Personal ultimativ aufgefordert, bis spätestens Sonntag die Heimreise anzutreten.
„Niemand wird uns Fristen setzen oder sagen, ob es Wahlen gibt oder nicht“, sagte Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza während der Sitzung in New York. Der US-Regierung warf er vor, hinter dem Putschversuch zu stecken. Unterstützung erhielt Arreaza vom russischen UN-Botschafter Wassili Nebensia. „Die USA und deren Verbündete“ planten einen „Staatsstreich“ um Maduro zu stürzen. Inzwischen hat Venezuelas Außenministerium eine Fristverlängerung von 30 Tagen für die US-Diplomaten zugesagt. In dieser Zeit soll über eine angemessene Form der Interessenvertretung verhandelt werden.
Am Ende konnte sich der Sicherheitsrat nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen. Während die USA die Unterstützung Guaidó einfordern wollten, strich Russland alles aus dem vorgelegten Entwurf, was in diese Richtung wies. So bleib am Ende nur der Aufruf zum Dialog zwischen Regierung und Opposition. Dem stimmte der US-Außenminister nicht zu.
Unterdessen sagte sich José Luis Silva, Militärattaché an der venezolanischen Botschaft in Washington, von Maduro los und stellte sich in den Dienst des selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó. „Er ist der einzige rechtmäßige Präsident“, sagte der Oberst in einer am Samstag veröffentlichten Videobotschaft. An andere Mitglieder der Streitkräfte appellierte er, es ihm gleichzutun. Zwar verfügt Guaidó international bereits über erheblichen Rückhalt, in Venezuela selbst hat er bislang aber keine echte Machtposition. Der entscheidende Machtfaktor in Venezuela ist das Militär, das bisher treu zu Maduro steht.
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