Politische Kriminalität in Niedersachsen: Extremisten auf dem Vormarsch
Niedersachsen verzeichnete 2019 deutlich mehr politisch motivierte Straftaten als im Vorjahr. Rechte verübten doppelt so viele Delikte wie Linke.
Für nicht zuordenbar befand die Polizei 476 Delikte (Vorjahr: 353) – der Rest entfällt auf den Motivbereich „ausländische“ oder „religiöse“ Ideologien, der 2019 allerdings rückläufig war.
Im Detail zeichneten Innenminister Boris Pistorius (SPD) und Landespolizeipräsident Axel Brockmann bei der Vorstellung der Statistik ein durchwachsenes Bild. So sei ein Teil des Anstieges wohl den Auseinandersetzungen rund um die Europawahl geschuldet; zudem seien die Opfer sensibler geworden und eher bereit, Anzeige zu erstatten, sagte Pistorius.
Die Zahl der Gewalttaten (163) ist rückläufig. Hier seien häufiger linke als rechte Tatmotive zu verzeichnen (74 zu 59). Der größte Teil der rechten Straftaten entfällt auf Propagandadelikte. Ein Fünftel der linken Straftaten bezog sich auf die Europawahl. Es waren überwiegend Diebstähle und Sachbeschädigungen.
Viermal Rechtsterrorismus
Auch die antisemitischen Straftaten haben zugenommen: 179 Taten sind 2019 zu verzeichnen gewesen. Eine der schwersten Taten ist noch nicht aufgeklärt: Im Mai hatte es einen Brandanschlag auf die Haustür eines jüdischen Ehepaares in Hemmingen gegeben – der erschien so bedrohlich, weil das Paar zurückgezogen lebt und in der Gemeinde keine exponierte Stellung einnimmt.
Vier Fälle hat das Landeskriminalamt als rechtsterroristisch bewertet. Ermittelt wird hier wegen Anschlagsvorbereitungen und des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung.
Stabil mit rund 1.300 Personen ist die Szene der Reichsbürger:innen und Selbstverwalter:innen. Sie verübte etwas weniger Straftaten. Ein Teil fühle sich offenbar von den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen angezogen, sagte Pistorius. In Hannover findet am heutigen Samstag die dritte „Hygiene-Demo“ statt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers