Politische Justiz in Ägypten: Gericht bestätigt Todesurteil
Ein ägyptisches Gericht hat das Todesurteil gegen Ex-Präsident Mohammed Mursi wegen eines Gefängnisausbruchs 2011 bestätigt.
Darunter waren der Chef der Muslimbruderschaft, Muhammad Badia, der ehemalige Parlamentspräsident Saad Katatni und Kheirat El-Shatr, der als die graue Eminenz der Organisation gehandelt wurde. Insgesamt wurden die Urteile in zwei verschiedenen Verfahren bestätigt.
Mursi bekam im ersten Prozess, in dem es um Spionage und die Verbreitung von Informationen an ausländische Organisationen ging, zunächst eine lebenslängliche Haftstrafe. Im zweiten Verfahren, in dem ein Gefängnisausbruch in den chaotischen Tagen der Revolution verhandelt wurde, wurde er erneut zum Tod durch den Strang verurteilt. Insgesamt wurden 99 Todesurteile bestätigt, die meisten allerdings in Abwesenheit der Angeklagten.
Das Urteil gegen Mursi dürfte allerdings zunächst nicht vollstreckt werden, denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Kairos Kassationsgericht das Urteil wegen Verfahrensfehlern aufhebt und es zu einer Neuverhandlung kommt. Einer von Mursis Anwälten, Muhammad Schibl, sieht den Prozess als einen politischen.
„Laut der Beweislage hätten die Angeklagten eigentlich freigesprochen werden müssen, aber das Gericht hat von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass es die Angeklagten schuldig sprechen wird“, meinte Schibl. Der Anwalt kündigte an, mit dem Team der anderen Verteidiger in Berufung zu gehen.
„Teuflische Absichten“
Tatsächlich hatte Richter Schaab El-Schami wenig Zweifel an seiner Gesinnung gelassen. Er hielt vor dem Urteil eine längliche Rede über die Geschichte der Muslimbruderschaft und deren „teuflische Absichten“. Mit dem 30. Juni 2013 sei deren Herrschaft beendet worden, die zu „Tränen des Volkes“ geführt habe. Es sei „Licht ins Dunkel gebracht worden“, mit Hilfe des Militärs, das Mursi abesetzte.
Als die Angeklagten wenige Minuten vor Prozessbeginn in den Gerichtskäfig gebracht worden waren, machten sie deutlich, dass sie das Gericht nicht anerkennen und stimmten trotzig Slogans „zum Sturz der Militärregierung“ an, bis ihnen das Mikrofon abgedreht wurde. Hinter den schalldichten Scheiben waren ihre Rufe dann nur noch zu sehen, aber nicht mehr zu hören – eine gespenstische Szene.
„Die Urteile sind ein weiterer Nagel im Sarg der ägyptischen Demokratie und der Höhepunkt von fast zwei Jahren Erosion der Menschenrechte seit dem Militärputsch“, ließ die Muslimbruderschaft nach der Entscheidung des Gerichtes verlauten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene