Politische Blockade in Nordirland: Eine Reform käme zu früh

Regierungsbildungen in Nordirland sind schwierig. Aber noch sollten beide ehemaligen Konfliktparteien paritätisch eingebunden werden.

Selfe von US-Präsident Biden

Selfie von US-Präsident Biden mit Zu­hö­re­r:in­nen nach seiner Rede an der Ulster Universität Foto: Christophe Ena/ap

Er war sehr vorsichtig. US-Präsident Joe Biden hat in seiner Rede in der Ulster-Universität in Belfast alles vermieden, was die pro-britische Democratic ­Unionist Party (DUP) hätte aufregen können. Er war zwar gekommen, um den 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens zu feiern, aber was die Wiedereinsetzung der aus dem Abkommen hervorgegangenen Institutionen angehe, die von der DUP seit gut einem Jahr boykottiert werden, wäre sie zwar wünschenswert, sei aber einzig Sache der Nord­iren.

Aber die DUP-Chefs glauben Biden nicht. Warum auch? Das Misstrauen gegen den US-Präsidenten ist aus ihrer Sicht durchaus begründet. Er streicht gern seine irischen Wurzeln heraus, während er seine Stippvisite in Nordirland wie eine Pflichtübung erledigte: Sie dauerte gerade mal 15 Stunden. Aber ­Biden ist gar nicht das Problem der DUP. Am 18. Mai stehen Kommunalwahlen an. Die Umfragewerte sind nicht gut; viele Wähler wenden sich den noch extremeren unionistischen Parteien zu.

Die Spaltung dieses Lagers hatte im vorigen Jahr dazu geführt, dass die irisch-nationale Sinn Féin zur stärksten Partei in Nordirland wurde. Hinzu kommt, dass Sinn Féin in Umfragen auch in der Republik Irland weit vor den anderen Parteien liegt. Eine Sinn-Féin-Regierung in beiden Teilen Irlands, die eine irische Vereinigung forcieren könnte, ist ein Schreckgespenst für die Unionisten.

Die DUP braucht einen Wahlerfolg im Mai, um Druck auf den britischen Premier Rishi Sunak ausüben zu können, damit er den Windsor-Rahmenplan, den er mit Brüssel Ende Februar abgeschlossen hat, nachbessert. Denn dieser Plan sieht den Verbleib Nordirlands im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion vor. Mit einem Ende des DUP-­Boykotts ist deshalb vor den Kommunalwahlen nicht zu rechnen.

Die Gesellschaft hat sich verändert

Ist eine Reform des Belfaster Abkommens fällig, die die Machtteilung zwischen Katholiken und Protestanten verlangt? Sicher, einige Aspekte bedürfen einer Überarbeitung, damit die Parteien, die keiner Konfliktseite angehören, mehr Einfluss bekommen. Die politische Landschaft und die Gesellschaft haben sich in den vergangenen 25 Jahren verändert – die im Abkommen festgelegten Regeln hingegen nicht.

Es ist aber zu früh, im Parlament eine normale Mehrheitsregel einzuführen, solange es keine Annäherung beider Seiten gibt, denn unter der Diktatur der unionistischen Mehrheit hat Nordirland ein Dreivierteljahrhundert gelitten, was schließlich zum bewaffneten Konflikt führte. So verlockend es klingt, den Spieß umzudrehen und die Regierung ohne DUP-Beteiligung einzusetzen, so töricht wäre das, denn es sind noch genügend Waffen irgendwo in Nordirland vergraben.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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