Politische Bildung in Bremen: Ein bisschen Krieg

Militarisierungstendenzen hat die Bremer Linksfraktion bei der Landeszentrale für politischen Bildung ausgemacht - und danach gefragt. Tatsächlich wird das noch junge Frontverläufe verschärfen.

Das Stück "Schwarze Jungfrauen" gab keinen Anlass für Irritationen. Bild: Claudia Hoppens

Militarismus? In der politischen Bildung? Und das in Bremen? Och nö, denkst Du, ausgerechnet da ja nun nicht. Und nicht nur weil Bürgermeister Jens Böhrnsen und sein Bremerhavener Kollege Jörg Schulz (beide SPD) im Jahr 2006 dem "Mayors for Peace"-Club beigetreten sind. Aber auch sonst, das passt doch nicht zum Image, nicht zu einer Stadt, deren Uni einst den Verzicht auf Rüstungsforschung in ihre Gründungs-Charta geschrieben hatte. Oder, noch weiter zurück, eine Stadt, die beim Anrücken Napoleons eiligst die Mauern und Befestigungsanlagen schliff und zweisprachige Schilder aufstellen ließ: Dass man neutral sei.

Bloß dann kommt da so eine Anfrage, im Parlament, eine große, mit 19 Punkten, nicht alle wirklich knallig, manche ein bisschen merkwürdig - aber es kratzt schon. Und gerade merkwürdige Sachen kratzen ja oft am meisten.

Vor allem, wenn manche dann so schroff reagieren: "Ich habe der Senatsantwort nichts hinzuzufügen", sagt Herbert Wulfekuhl, er wiederholts, sagts dreimal, noch einmal "es bleibt dabei", sagt er und betont das Wort "nichts".

Dass er nichts über die Senatsantwort hinaus zu sagen hat, ist schade, denn er ist der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung. Die Anfrage hat Jost Beilken von der Linksfraktion gestellt, der auch im Beirat der Landeszentrale sitzt und dort offenbar mit seiner Kritik nicht durchgedrungen ist. "Natürlich haben wir dort darüber gesprochen", erinnert er sich, andere sehen das anders.

Klar spielt Wulfekuhl in seiner Anfrage eine Rolle. Die Senatsantwort lautet im Wesentlichen, dass man erstens die "These einer Militarisierung weiter Teile der Gesellschaft im Land Bremen nicht" teile. Und zweitens, "keine Gründe" sehe, "die Vorgehensweise der Landeszentrale zu beanstanden".

Wahr ist, dass die Landeszentrale für Unruhe gesorgt hat, im vergangenen Jahr mit der Georg-Elser-Initiative Bremen (Geib), oder teilweise auch nur: für Irritationen, wie zum Beispiel die Schwankhallen-Geschichte. Schwankhalle, das ist ein alternatives Kulturzentrum für Bremen, von der Idee her ein bisschen wie Kampnagel in Hamburg, allerdings in ganz klein.

Die hatten da Ende Februar - und da war die Anfrage schon längst in Bearbeitung - eine Performance-Reihe: Hans-Werner Krösinger war da, der Neu-Erfinder des Doku-Theaters, mit der Produktion "Ruanda Revisited", ein Stück über den Völkermord an den Tutsi im Jahr 1994 und die Rolle der Blauhelmtruppen, es gab eine Uraufführung vom Bonner "Fringe"-Ensemble mit "Winter im Morgengrauen" über einen fiktiven Bürgerkrieg, die furiose Eigenproduktion "Schwarze Jungfrauen", fünf Monologe, die Feridun Zaimoglu auf der Basis von Interviews mit radikalisierten Musliminnen verfasst hat, plus Film, plus Diskussion.

Titel des Minifestivals: "Soldaten - Eine Gastspielreihe über das vielleicht zweitälteste, aufregendste und fragwürdigste Gewerbe der Welt." Eine Einladung landete bei der Landeszentrale. Und dort hat der angeschriebene Mitarbeiter, Sebastian Ellinghausen, ausgesprochen sensibel reagiert. Und schnell: Der Soldatenberuf, fragwürdigstes Gewerbe, das ist doch… "Mehr als beleidigend" sei das, heißts in der Mail, für "die Angehörigen unserer Parlamentsarmee".

Irritationen sind gut. Sie gehören zum Geschäft - der Kultur, aber auch der politischen Bildung. Und die Sache ist geklärt worden, mit drei, vier Mails, hin und her. "Ich", sagt Carsten Werner vom Schwankhallen-Team, "habe das nicht als Versuch eines irgendwie hoheitlichen Eingriffs verstanden", ganz im Gegenteil: "Es ist ja auch angenehm, wenn wahrgenommen wird, was wir machen." Und Ellinghausen sagt, nein, das war erstens nur eine persönliche Äußerung. Und wahrscheinlich auf einer Fehllektüre basierend. Dass er das "vielleicht" nur auf das erste Adjektiv bezogen habe, nicht auf die Aufzählung. Und zweitens, dass er nun ganz gewiss nicht verhindern will, dass Kunst, "die ist ja das Freieste was es gibt", spannende Fragen aufgreift. "Eine militaristische Botschaft habe ich nicht zu verbreiten", sagt er, "und auch die Landeszentrale nicht".

Jenseits der Schwankhalle gibt's daran Zweifel. Und das liegt an der Sache mit der Geib. Und an Wulfekuhl. Und an ihrem Zerwürfnis. "Ich denke, das darf nicht das letzte Wort sein", sagt Beilken. Wahr ist, dass Geib und Landeszentrale zwölf Jahre gut kooperiert haben. Zuletzt beim Rahmenprogramm für die Wanderausstellung "Was damals Recht war…", die sie ins Rathaus geholt hatten. Gewidmet ist die den rund 30.000 Deserteuren, die von Gerichten der Wehrmacht zum Tode verurteilt wurden. Im Begleitprogramm sprachen auch Bundeswehroffiziere. Den Veranstaltungen der Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe zum Anti-Terror-Paragrafen 129 und der Bremer Antikapitalistischen Linken zur Totalverweigerung aber hatte Wulfekuhl seinen Segen nicht erteilen können. Oder wollen. Zensur-Vorwürfe wurden laut. Und die Forderung nach einem Diskussionsabend, der als "Wulfekuhl-Tribunal" gut umschrieben war. Der kam natürlich nicht. "Die Veranstaltung ist überflüssig wie ein Kropf", ließ er die Organisatoren wissen. Seither herrscht Funkstille.

Die Anfrage wird daran nichts ändern. Im Gegenteil: Sie vertieft die Gräben. Unversöhnlich hocken darin links die alten Friedensbewegten. Rechts: Die Landeszentrale, Wulfekuhl an der Spitze. Ein bisschen Krieg gibts eben schon in Bremen.

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