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Politikerin über Mordparagraph„‚Lebenslang‘ nicht infrage stellen“

Die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker lehnt die geplante Reform des Mordparagrafen ab. Dafür gebe es weder Anlass noch Bedürfnis.

„Es geht nicht um Wahlkampf“, sagt Elisabeth Winkelmeier-Becker. Foto: iKiSurf / photocase.de
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Frau Winkelmeier-Becker, Justizminister Heiko Maas (SPD) will den Mordparagrafen im Strafgesetzbuch überarbeiten. Hält die Union diese Norm ebenfalls für reformbedürftig?

Elisabeth Winkelmeier-Becker: Ich sehe bei den Tötungsdelikten weder einen Anlass noch ein Bedürfnis für eine Reform. Entsprechend sieht der Koalitionsvertrag das Thema nicht vor. Das Justizministerium sollte zunächst die wichtigen Themen abarbeiten, die im Koalitionsvertrag stehen: Menschenhandel und Zwangsprostitution, Stalking, Vermögensabschöpfung, Schutz von Polizeibeamten oder die Reform des Strafverfahrensrechts.

Finden Sie es richtig, dass das Strafgesetzbuch bei jeder „heimtückischen“ Tötung lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht – selbst beim Mord an einem Haustyrannen?

Die Gerichte haben zu sämtlichen Rechtsproblemen – gerade zu den einzelnen Mordmerkmalen – klare, gute Lösungen entwickelt. Wenn das konkrete Täterverschulden ausnahmsweise sehr gering ist, kann von lebenslanger Freiheitsstrafe abgesehen werden. So ist anerkannt, dass die Heimtücke einer schwachen, misshandelten Frau, die ihr Martyrium beendet, indem sie ihren gewalttätigen Ehemann im Schlaf tötet, anders behandelt werden muss, als wenn zum Beispiel dieser Haustyrann seine Ehefrau heimtückisch tötet.

Wäre es nicht sinnvoll, diese Lösung auch im Gesetz zu verankern?

Nach meiner Auffassung besteht keine Notwendigkeit, Ausnahmen von der lebenslangen Freiheitsstrafe für einen Mord – und damit ein Abweichen zugunsten des Täters – im Strafgesetzbuch zu formulieren. Es wäre wegen des Umfangs auch kaum möglich, alle Bewertungskriterien im Gesetz zu verankern, die für die gerichtliche Beurteilung eines solchen Tatgeschehens wichtig sind.

Ist es nicht aus Prinzip sinnvoll, wenn die Rechtslage im Gesetz nachlesbar ist?

Jahrzehntelang haben Richter, Staatsanwälte, Strafverteidiger und die Menschen in unserem Land keine Probleme im Umgang mit diesen Regelungen im Strafgesetzbuch gehabt. Bei einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung bestünde die Gefahr, dass die Ausnahme in der Praxis zur Regel wird. Außerdem wäre zu befürchten, dass nicht nur das Strafniveau bei den Tötungsdelikten, sondern auch bei allen übrigen Straftaten sinken würde.

Im Interview: Elisabeth Winkelmeier-Becker

geboren 1962, gehört seit 2005 dem Bundestag an und ist Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion für Recht und Verbraucherschutz. Zuvor war sie von 1992 an zunächst als Richterin am Landgericht Bonn und ab 1997 am Amtsgericht Siegburg tätig.

Kann es sein, dass die Union vor der nächsten Bundestagswahl unbedingt den Eindruck vermeiden will, sie erlaube mildere Strafen bei Mord?

Es geht nicht um Wahlkampf. Es ist eine Grundsatzfrage: Wir dürfen die lebenslange Freiheitsstrafe bei den Tötungsverbrechen nicht infrage stellen, sie ist für unser Strafrechtsgefüge unverzichtbar. Sie hat Symbol- und Signalfunktion und entspricht zudem dem Gerechtigkeitsempfinden der übergroßen Mehrheit der Menschen in unserem Land. Diese Sanktion zum Schutz des Lebens darf daher nicht aufgeweicht werden. Dies sind wir sowohl den Opfern als auch deren Angehörigen schuldig. Der Verzicht auf die lebenslange Freiheitsstrafe bei außergewöhnlichen Umständen, die zu einem Mord führten, muss die Ausnahme bleiben.

Unterstützt die Union zumindest eine Änderung der Formulierung „Mörder ist, wer … „, die von der NS-Tätertypenlehre geprägt ist?

Auch eine bloß redaktionelle Änderung ist im Koalitionsvertrag nicht vereinbart und hat zudem keine Priorität. Unsere Strafjustiz wendet den Mordtatbestand seit Jahrzehnten an, hat ihn an gesellschaftliche Entwicklungen angepasst und ausgeformt.

Unterstützt die Union die Ergänzung der Mordmerkmale um Tötungen aus „rassistischen“ oder „religiösen“ Gründen?

Die Tötung eines Menschen aus rassistischen oder religiösen Gründen stellt unzweifelhaft immer einen niedrigen Beweggrund dar. Dieses Mordmerkmal ist aber bereits geltendes Recht. Ich halte nichts davon, jeden denkbaren niedrigen Beweggrund, unter den beispielsweise auch der sogenannte Ehrenmord fällt, als zusätzliches Mordmerkmal in das Gesetz aufzunehmen.

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2 Kommentare

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  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Der "Haustyrann" mordet typischerweise nicht heimtückisch sondern tötet meist besoffen im Affekt.

    Deshalb kommen Ehefrauen bei der Partnertötung meist schlechter weg.

     

    Ein Grund mehr die staatlich subventionierte Ehe abzuschaffen.

    Kein Grund zur Freude, wenn auch Schwule und Lesben kinderunabhängige Steuergeschenke bekommen, so sie sich denn staatlich vereidet bis zum Tod (oder der Tötung ;) ) aneinander binden.

    • @8545 (Profil gelöscht):

      Super Kommentar!