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Alles fürs „Vaterland“: Junge Mitglieder der paramilitärischen Organisation Strzelec am Tag ihres Schwurs, Polen zu verteidigen Foto: Anastasia Zejneli

Polen wählt einen PräsidentenPolens Tor zur Ukraine

In der Unistadt Rzeszów leben viele junge Menschen, konservative wie progressive. Wie blicken sie auf die Sicherheitslage?

Anastasia Zejneli
Von Anastasia Zejneli aus Rzeszów und Sokołów

M aja Lichota blinzelt in die Sonne, sie schwitzt in ihrer grünen Uniform. Bei sommerlichen Temperaturen steht sie mit 50 weiteren Kindern und Jugendlichen in schweren Leder­stiefeln in Zweierreihen vor einer katholischen Kirche in Sokołów Małopolski, einem Dorf im Südosten Polens. Der 18-Jährigen ist es egal, wie warm es ist, sie trägt ihre Uniform mit Stolz. „Schon immer wollte ich Teil von etwas sein, eine Uniform tragen und dazugehören zu einer Gruppe“, sagt sie. An diesem ersten Samstag im Mai ist es so weit für Lichota, sie wird offizielles Mitglied bei der paramilitärischen Gruppe Strzelec.

Die Gruppe gleicht einem Pfadfinder­verbund – nur dass die Mitglieder dort lernen, wie sie das „Vaterland“ verteidigen können. Die jüngsten Mitglieder sind 4 Jahre alt, für die Kinder bis zur achten Klasse gibt es eine separate Gruppe. Die meisten beginnen ihre Laufbahn mit 14 Jahren, lernen einmal die Woche militärische Grundlagen. Wie überlebe ich im Wald? Wie leiste ich Erste Hilfe? Im Klubhaus spielen die Kinder Tischtennis, sie kickern und lernen, wie sie eine Kbs wz. 1996 Beryl auseinanderbauen, das Gewehr der polnischen Streitkräfte.

Besonders beliebt ist das Freizeitangebot im Karpartenvorland im Südosten Polens, wo auch Maja Lichota wohnt. In Rzeszów wird das Gemeinschaftszentrum von Strzelec von der Stadt mitfinanziert, die Mitglieder zahlen freiwillige Jahresbeiträge, meistens liegen diese bei umgerechnet 25 Euro. Der Rest wird über Spenden finanziert.

Die Schülerin Maja Lichota ist 18 Jahre alt und trägt stolz ihre Uniform Foto: Anastasia Zejneli

Seit Jahren ist Polen Musterschüler in der Europäischen Union, wenn es um Aufrüstung geht. Aus Angst vor Russland will die seit Dezember 2023 amtierende proeuropäische Regierung von Donald Tusk 2026 fast 5 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Landesverteidigung stecken. Auch in der noch bis Ende Juni andauernden EU-Ratspräsidentschaft hat Polen die Sicherheit Europas ganz oben auf die politische Agenda gesetzt. Junge Menschen in Maja Lichotas Alter sind mit Frieden in Europa aufgewachsen. Doch seit der russischen Invasion in die Ukraine haben Gruppen wie die Strzelec Zulauf.

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Joe Biden aß hier Pizza, Selenskyj steigt hier um

Die Blaskapelle beginnt zu spielen, Maja Lichota marschiert im Gleichschritt mit den anderen zum Park, wo die Aufnahmezeremonie stattfindet. Nicht alle schwingen ihre Arme im 90-Grad-Winkel am Körper vorbei, auch Lichota gerät kurz aus dem Takt, stoppt und beginnt von vorn. Die Schülerin ist Teil der Ortsgruppe in Rzeszów, doch ihren offiziellen Schwur, Mitglied bei Strzelec zu sein, legt sie im Nachbarort ab.

Rund 250 Leute engagieren sich in ihrer Stadt bei der Organisation. Für viele ist es eine Vorbereitung für den Militärdienst, auch ihr 22-jähriger Freund Oskar Zimnicki ist nach der Schule dem Heer beigetreten. Maja Lichota hat noch ein Jahr bis zu ihrem Abschluss. Und dann? Wird sie Soldatin? Zieht sie im Zweifel in den Krieg? ­Daran will sie noch nicht denken, sagt sie. Auch in Rzeszów so nah an der Grenze fühle sie sich dafür noch zu sicher. Bisher.

90 Kilometer sind es von ihrem Zuhause bis in die Ukraine. Als „Tor in die Ukraine“ wird Rzeszów oft bezeichnet. Ex-US-Präsident Joe Biden aß hier Pizza, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj steigt regelmäßig am hiesigen Bahnhof um. Seit Februar 2022 ist der militärische Teil des Flughafens Rzeszów-Jasionka eine Art Blackbox. Man weiß, dass er als Drehscheibe für Lieferungen von schweren Waffen des Westens in die Ukraine dient. Über die direkte Bahnstrecke in die Ukraine erreichen die Rüstungslieferungen das Kriegsgebiet.

Die Zahl der US-Amerikaner an der Basis in Jasionka stieg im Jahr 2022. Für viele Menschen hat sich das Bild der Stadt merklich verändert. Amerikanische Soldaten liefen damals über die Gehwege der Altstadt, saßen in der Pizzeria am Marktplatz und aßen Burger und Steak in der Texas-Bar und Tacos im Habana. Neu aufgemacht habe für die Soldaten zwar nichts, Polen interessiere sich schon lange für die US-amerikanische Kultur und ihr Essen, doch die Geschäfte in der Innenstadt machten gute Gewinne, erzählen die An­woh­ne­r*in­nen.

Die Studentinnen Michalina und Kate wollen bei der Präsidentschaftswahl links wählen Foto: Anastasia Zejneli

In Polen leben fast 1 Million ukrainische Geflüchtete

Jetzt, nach knapp drei Jahren, ist ein Großteil der amerikanischen Truppen überraschend abgezogen. Anfang April kündigte das Europa- und Afrika-Kommando der US-Armee an, die Soldaten an andere Standorte in Polen zu versetzen. Der Betrieb soll künftig unter polnischer Führung und in Zusammenarbeit mit weiteren Nato-Verbündeten fortgeführt werden. Die amerikanischen Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot bleiben bisher noch in Jasionka. Die Batterien sind am Flughafen aufgereiht – und gen Osten ausgerichtet.

Mit Blick auf das Rollfeld verkauft eine Familie in ihrer Imbissbude auf der anderen Straßenseite Kebab. Ein paar US-Soldaten stehen um den kleinen roten Container herum, ein Plakat des rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Grzegorz Braun klebt an der Wand. Am 18. Mai wird in Polen ein neuer Präsident gewählt.

Die Regierungsparteien und vor allem Ministerpräsident Donald Tusk von der liberal-konservativen Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska, kurz: KO) hoffen, mit einem Präsidenten aus den eigenen Reihen die Reformen der nationalkonservativen PiS-Partei ­rückgängig machen zu können. Zwischen 2015 und 2023 wurde das politische System so stark deformiert, dass es in vielerlei Hinsicht nicht mehr demokratischen Kriterien entsprach. Und bis heute verhindert der amtierende ­PiS-nahe Präsident Andrzej Duda jedes Reformgesetz der Mitte-links-Regierung, indem er entweder sein Veto einlegte oder den Gesetzentwurf an das Verfassungsgericht weiterleitete. Das ist aber ausschließlich mit Richtern besetzt, die der PiS nahestehen. Das soll sich mit der Präsidentschaftswahl ändern.

An diesem 1. Mai ist kaum etwas los in Rzeszów. Feiertag. Die Sonne scheint auf den leeren Supermarktparkplatz. Über den Truppenabzug und überhaupt die vergangenen Jahre in Polens „Little Ramstein“ will hier keiner sprechen. Nicht nur US-amerikanische Soldaten kamen seit 2022 in die Stadt. ­Rzeszów nahm zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukrai­ne im Jahr 2022 mehrere Zehntausende Ukrai­ne­r*in­nen auf. In Polen leben über das Land verteilt heute fast 1 Million ukrai­ni­sche Geflüchtete, viele kamen über Rzeszów nach Polen. Ver­sorgung, Unterbringung und Betreuung waren und sind ein Kraftakt für die rund 200.000 Ein­woh­ne­r*in­nen. Dank ihrer beiden Universitäten leben viele junge Leute in Rzeszów. Knapp ein Viertel der Bevölkerung sind Studierende.

Viele sympathisieren mit der rechtsextremen Konfederacja

So auch Michalina und Kate. Beide kennen sich aus ihrer Arbeit bei einer Diversitäts-AG an der Universität. Mi­cha­li­na, 22, studiert seit drei Jahren Philosophie und ist in Rzeszów geboren und aufgewachsen. Kate, 24, ist für ihr Studium der russischen Philologie hergezogen, sie wohnt im Wohnheim.

Als viele Ukrai­ne­r*in­nen nach Polen kamen, engagierten sich beide bei einer Anlaufstelle in der Innenstadt, verteilten Essen und Kleidung. Sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft in Polen. „Wir leben hier in einer sehr linken, queeren Blase mit unseren Freunden, aber von der Politik in Polen fühlen wir uns im Stich gelassen.“ Viele junge Menschen und besonders junge Männer, sympathisieren mit der rechtsextremen Partei Konfederacja, sagen sie, das mache ihnen Angst. Deshalb und aufgrund der allgemein queerfeindlichen Stimmung in Polen möchten sie in diesem Artikel auch nicht mit Nachnamen genannt werden.

Sławomir Mentzen ist der Shootingstar von Konfederacja. Laut einer Umfrage der Batory Foundation von Anfang Mai favorisieren Po­l:in­nen zwischen 18 und 29 Jahren Mentzen bei der Präsidentschaftswahl. Fast zwei Drittel der potenziellen Wähler der Kon­fe­deracja sind unter 34 Jahre alt. Mentzen, der extrem aktiv auf Tiktok ist, präsentiert sich nationalistisch und antieuropäisch, ist in gesellschaftspolitischen Fragen konservativ und strikt gegen Abtreibung.

Auf dem zweiten Platz steht bei jungen Wäh­le­r*in­nen der liberale ­Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzas­kow­ski, der auch generell als Favorit gilt. Er ist der Kandidat von Tusks Regierungspartei KO. Bisher gehen Meinungsforschungsinstitute davon aus, dass Trzaskowkski in der Stichwahl Anfang Juni gegen den PiS-nahen Karol Naw­rocki, einen Historiker und Ex-Boxer, antreten wird.

Die Studentinnen Kate und Michalina wollen für einen der linken Kan­di­da­t*in­nen stimmen. Also für Magdalena Biejat oder Adrian Zandberg. Doch sie wissen auch, dass sie sich in der Stichwahl wahrscheinlich für einen ihnen eher unliebsamen Kandidaten entscheiden müssen. „Trzaskowski ist das kleinere Übel, vom PiS-Kandidaten erwarte ich noch weniger Gutes“, sagt Michalina.

Das Leben in Polen ist teurer geworden

Kate hofft, dass Polen die Rechte von queeren Personen besser schützt. „Es ist legal, als lesbische oder schwule Person zu leben, doch gegen Hassrede und Hetze gibt es kaum Strafen. Ich wünsche mir, dass wir wie heterosexuelle Paare Kinder gemeinsam adoptieren können und heiraten dürfen.“

Gehen will sie aber nicht. Rzeszów sei zwar keine Metropole, doch sicher und offen genug, um hier als junge Frau gut leben zu können. „Rzeszów hat lustigerweise die meisten Kebabimbisse in der Umgebung“, erzählt Michalina. Abends leuchten die roten und orangefarbenen Schilder der Imbissbuden mit den froschgrünen Logos der kleinen Supermarktkette Żabka, benannt nach eben jenem Tier, um die Wette. Es gebe ein Meme, erzählt Michalina, dass sich die Konservativen in Polen über Migration aufregen und danach in ihren liebsten Kebabladen gehen.

Wie in vielen Städten Polens ist der Stadtkern umgeben von Einkaufszentren. Gegenüber einem dieser Glaskolosse blicken ein Bauer, ein Arbeiter und ein Soldat auf die Kreuzung vor dem Stadtzentrum herunter. Das steinerne Trio begrüßt die Autos, die von der Autobahn aus Warschau und Krakau nach Rzeszów kommen. Es ist Teil eines Denkmals, das einige Po­li­ti­ke­r*in­nen entfernen wollen, denn es erinnert an die Zeit der Polnischen Volks­re­pu­blik von 1944 bis 1989. Die Regionalverwaltung kämpft seit Jahren darum, das kommunistische Denkmal abzureißen, die Mehrheit der Bür­ge­r*in­nen Rzeszóws ist dagegen. Für Michalina und Kate gehört die „große Fo***“, wie das Monument fast alle in der Stadt wegen ihrer mandelförmigen Form nennen, zum Stadtbild dazu.

Michalina würde gern näher an die Altstadt ziehen, erzählt sie. Doch leisten kann sie sich das nicht. Eine Zweizimmerwohnung würde umgerechnet mindestens 500 bis 600 Euro Miete kosten. Im Durchschnitt verdient man in Polen 1.165 Euro, und hier im Osten des Landes noch weniger. Michalina hat neben der Uni momentan keinen Job, sie bleibt bei ihren Eltern.

Viele junge Po­l*in­nen fordern finanzielle Entlastungen von ihrer Regierung. Laut einer Umfrage der Onlineplattform onet.pl unter 18- bis 25-Jährigen von Mitte April klagen diese über die Preise bei Immobilien, Medikamenten und Lebensmitteln.

Foto: Beata Zawrzel/NurPhoto/imago

Auch Oskar Zimnicki und Maja Lichota wünschen sich mehr Unterstützung für junge Menschen. „Seit Jahren investiert Polen in sein Militär, das ist gut so. Doch das kann nicht bedeuten, dass wir die Sozialpolitik vernachlässigen sollten“, sagt Zimnicki. Sie leben zusammen in einer Einzimmerwohnung. Das Leben in Polen ist seit dem Angriffskrieg Russlands teurer geworden, Energie- und Lebensmittelpreise sind gestiegen, die Inflation lag Mitte 2022 bei etwa 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch heute liegt die Inflation noch bei knapp 5 Prozent. Beim Einkaufen lacht nur der Marienkäfer auf dem Logo des Discounters Biedronka.

Wieder offener über Politik sprechen

„Wir sprechen schon auch über Politik und was wir uns erhoffen, aber auch nur mit Leuten, die ähnliche Ansichten haben“, sagt Maja Lichota. „Meine Freunde sind eher konservativ. Wir finden es gut, dass Polen seine Grenzen schützen will und wir uns für einen möglichen Krieg rüsten“, sagt Oskar Zimnicki. Aus der EU austreten, so wie Präsidentschaftskandidat Sławomir Mentzen es bis vor Kurzem forderte, wolle man nicht. Mentzen sei unberechenbar, findet Lichota. Wen sie stattdessen wählen wird, will sie nicht sagen. Sie wünscht sich aber, dass junge Menschen wieder offener miteinander über Politik sprechen können.

Kate sieht das anders: „Ich möchte mich nicht mit jemandem unterhalten, der de facto nicht will, dass ich existiere“, sagt die 24-Jährige. Sogar ihre Mitbewohnerin schaute sich eine Zeit lang Mentzens Tiktok-Videos an und wollte ihn wählen, erzählt Kate. Die beiden teilen sich ein Zimmer im Studentenwohnheim von Rzeszów. Der verblasste graugelbe Block ragt mit seinen elf Etagen in den Himmel. Er wirkt – im Gegensatz zum zwanzig Minuten entfernten gläsern-modernen Campus – aus der Zeit gefallen. Neben dem Eingang befindet sich der Klub Pod Palmą, nachts leuchten dort rote LED-Palmen und junge Studierende warten darauf, hineingelassen zu werden.

Kate geht lieber in die Innenstadt zum Feiern, auch wenn sie nur ihr Fenster öffnen müsste. „An den Lärm von unten habe ich mich mittlerweile gewöhnt“, sagt sie, ihre Mitbewohnerin störe die Musik eher. Zwischen den beiden Betten ihrer Wohnung im siebten Stock ist kaum Platz für einen Schreibtisch. „Nimm meine Hand auf dem Weg zur Revolution“ steht auf einem Poster an der Wand, daneben eine Karte Russlands. Die Deko sei „schlecht gealtert“, sagt Kate mit Blick auf die Karte und lacht.

Aus dem Weg kann sie ihrer Mitbewohnerin, die einen Meter von ihr entfernt schläft, nicht gehen, daher haben ihre politischen Ansichten Kate anfangs besorgt. Doch ihre Mitbewohnerin habe schnell gemerkt, wie inkonsistent die Ansichten von Sławomir Mentzen auf Tiktok und in Debatten waren. Und es sich anders überlegt. „Frage eine Frau nicht nach ihrem Alter, einen Mann nicht nach seinem Gehalt und Mentzen überhaupt nichts“, sei ein Meme, das unter jungen Leuten kursiere.

Für sie sei es zu Beginn eine Herausforderung gewesen, aus ihrer Heimat in der Nähe von Gdansk im Norden des Landes wegzuziehen, sagt Kate. Die politische Spaltung in Polen ist mehrdimensional, sie verläuft zwischen Frau und Mann, Stadt und Land, aber auch zwischen dem Westen und dem Osten. Letzterer ist konservativer geprägt.

Geschichte spielt eine zentrale Rolle

Ob konservativ oder progressiv, das Bedürfnis nach Sicherheit haben auch viele junge Pol*innen. Michalina und Kate sind klar „für Frieden und gegen Krieg“. Dass die Tusk-Regierung weiterhin viel Geld investiere, um Polen sicherer zu machen, befürworten sie. Denn Polens Geschichte habe gezeigt, dass man sich selbst verteidigen muss.

In Polen spielt die Geschichte eine zentrale Rolle für die nationale Identität. Der Fokus liegt stark auf Unabhängigkeit, Widerstand und historischer Bedrohung – das wird besonders an Gedenktagen deutlich. Doch diese Haltung hat oftmals auch etwas Exklusives und rutscht teils ins Nationalistische, was besonders von rechten Kräften getragen wird, kritisieren Extremismusforscher.

Das Militär genießt in Polen sehr hohes Vertrauen – teils höher als die Regierung – und wird als Schutzschild gegen Bedrohungen wie Russland oder Belarus gesehen. Besonders im ­Osten ist das deutlich spürbar. Das historisch aufgeladene Bild der Landesverteidigung spricht vor allem Männer an.

Auch an dem sonnigen Tag in So­ko­łów Małopolski sind es vor allem junge Männer, die mit Maja Lichota zusammen den Schwur leisten. Zwei Finger Richtung Himmel gestreckt, das Barett in der anderen Hand, leisten sie ihren Eid. „Ich werde immer bereit sein, die Unabhängigkeit zu verteidigen, bis zum letzten Tropfen Blut. Und werde der Republik Polen dienen bis zum letzten Atemzug.“ Maja Lichota ist nun Mitglied von Strzelec. Für sie geht ein Traum in Erfüllung.

Kate und Michalina hingegen wollen nichts mit dem Militär zu tun haben. An der Waffe zu üben sei für sie unvorstellbar, erzählen sie, während sie über den Marktplatz laufen. In einer Parallelstraße findet ein Frühlingsmarkt statt. Rund um die Schlossanlage bieten die Ver­käu­fe­r*in­nen Honig, Karamellbonbons oder Schmuck aus Bernstein an. Unten im Park spielen Kinder in der Sonne und lassen sich vom Springbrunnen nassspritzen. Neben dem Markt glänzen weiße Aufsteller in der Abendsonne, auf ihnen sind Fotografien von weiblichen polnischen Künst­le­r*in­nen zu sehen.

Auf einem reicht eine ältere Dame einem Teenager eine Rose. Er trägt – wie Kate – einen Stoffbeutel in Regenbogenfarben, dazu ein Lederband mit Nieten um den Hals. Er blickt schüchtern zu der Frau. Unter dem Bild ist zu lesen: „Zwei Generationen, zwei Welten. Wir beginnen das neue Jahr mit vielen Heraus­forderungen, aber vielleicht wird 2025 besser? Ich setze meine Hoffnung in die neue Generation.“

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