Polens Wirtschaft fürchtet Abschwung: Angst vor der Krise der Anderen
Polens Wirtschaft ist nach wie vor auf Wachstumskurs. Die Regierung hat aber vorsorglich ein Antikrisenprogramm verabschiedet und erwägt auch eine stärkere Bankenaufsicht.
WARSCHAU taz Trotz Krise ist die Wirtschaft in Polen nach wie vor auf Wachstumskurs. Auch wenn sich die Kurve abgeflacht und die Landeswährung Zloty an Wert verloren hat. Die Weltbank prognostiziert für 2009 ein Wachstum von zwei Prozent. Andere osteuropäische Länder weisen bereits schrumpfende Volkswirtschaften aus, manche brauchen Kredite des Internationalen Währungsfonds.
Dennoch sind auch im größten Staat Mittelosteuropas die goldenen Jahre fürs erste vorbei. Die Banken haben bereits ankündigt, die Kreditvergabe einzuschränken. Befürchtet wird, dass die ausbleibende Zwischenfinanzierung vor allem auf den Immobilienmärkten eine Insolvenzwelle auslöst. Prestigeprojekte wie der Skytower in Breslau wurden bereits gestoppt.
Zurückzuführen ist die neue Vorsicht aber nicht auf hausgemachte Probleme, denn Spekulationen mit Hochrisikopapieren wie im Westen hat es kaum gegeben. Sie hat vor allem zwei Gründe: Zum einen können sich Polens Geschäftsbanken - wie andere auch - kaum noch Fremdkapital im Ausland leihen. Zum anderen ziehen ausländische Muttergesellschaften ihr Geld eher aus Polen ab, statt es dort zu investieren. Und 40 der insgesamt 51 Geschäftsbanken in Polen sind mehrheitlich in ausländischem Besitz.
Es mehren sich Gerüchte, dass bei einigen großen Instituten demnächst ein Wechsel des Mehrheitseigners nötig wird. So ist die deutsche Commerzbank unter Druck und muss womöglich ihren Anteil an der BRE-Bank verkaufen. Und nachdem die italienische UniCredit Group staatliche Hilfe beantragt hat, muss die Pekao, eine der größten Banken Polens, fürchten, dass sich die Italiener aus dem polnischen Markt zurückziehen. Auch der Allied Irish Bank wird nachgesagt, sie wolle ihren 70-prozentigen Anteil an der Bank Zachodni WBK veräußern.
Das ändert jedoch nichts daran, dass die Zurückhaltung bei den Krediten auch für die polnische Wirtschaft gefährlich ist. Die Abwärtsspirale beginnt damit, dass die Investoren bereits eingegangene Verbindlichkeiten ohne Zwischenfinanzierung nicht regeln können, Mitarbeiter entlassen und Insolvenz anmelden müssen. Die Arbeitslosen können dann die Zinsen für Hypotheken- und Konsumkredite nicht mehr bezahlen, so dass am Ende die Banken doch noch das Nachsehen haben und auf einem Berg Schulden sitzen bleiben.
Regierung und Zentralbank tun daher alles, um den drohenden Kollaps zu verhindern. So hat die polnische Nationalbank die Leitzinsen allein in diesem Jahr um einen ganzen Prozentpunkt auf nun 4 Prozent gesenkt, um Kredite zu verbilligen, und Staatsanleihen in Milliardenhöhe vorzeitig von den Geschäftsbanken zurückgekauft, um frisches Geld in den Markt zu schleusen. Da die Banken das Geld dann aber nicht wie gewünscht in das Kreditgeschäft pumpten, sondern in kurzfristigen Staatsanleihen anlegten, wird nun eine strengere Bankenaufsicht ins Auge gefasst.
Immerhin hat die Regierung ein Antikrisenprogramm aufgelegt, das allerdings ebenfalls vorrangig der Geldversorgung des Marktes dient. So wurde die Kapitalausstattung der staatseigenen Bank für Binnenwirtschaft erheblich aufgestockt, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen mit Krediten zu versorgen. Für sie gibt es auch Steuererleichterungen. Importzölle sollen gesenkt und EU-Mittel schneller freigegeben werden. Mit diesem Programm sowie Einsparungen in den Ministerien Verteidigung, Inneres, Justiz, Bildung und Finanzen hofft die Regierung die Krise halbwegs glimpflich zu überstehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!