: Polens Politbüro warnt Jugend
■ Streit zwischen der Regierung und den Jugendlichen weitet sich aus
Warschau (afp) - In Polen kündigt sich ein Machtkampf zwischen der Regierung und der zunehmend radikalisierten Jugend des Landes an. Nach deutlichen Warnungen des verbotenen „Verbandes der kämpferischen Jugend“ (FMW), der zum radikalen Flügel der polnischen Opposition zählt, an die Adresse der Ordnungskräfte, richtete die Regierung am Mittwoch ihrerseits Drohungen vor allem gegen Studenten und „Extremisten“. Um ein Stocken der „Gespräche am runden Tisch“ zu vermeiden, forderte die Regierung die immer noch verbotene Gewerkschaft Solidarnosc auf, die Jugendlichen und Studenten zur Mäßigung zu bewegen; dies lehnte die Gewerkschaft ab und verlangte stattdessen eine Legalisierung der ebenfalls illegalen Jugend- und Studentenverbände.
Die staatlich kontrollierten Medien veröffentlichten am Mittwoch deutliche Warnungen, nachdem das Politbüro der polnischen Kommunisten am Dienstag seine feste Absicht bekundet hatte, den Frieden im Lande wiederherzustellen. Die Presse verbreitete am Mittwoch eine Erklärung des Politbüros, in der dieses sich „entrüstet“ zeigte über die „Exzesse und die Aggressivität von Jugendlichen und Extremisten“. Das oberste Exekutivorgan der KP ließ keinen Zweifel daran, daß es in der Zukunft mit Härte gegen jede illegale Kundgebung vorgehen werde.
Der FMW hatte am Dienstag in einer Erklärung wissen lassen, in Krakau würden seine Mitglieder und Anhänger künftig nicht mehr „passiv“ bleiben, sondern Gleiches mit Gleichem vergelten, wenn die Polizei wieder gewalttätig gegen sie vorgehen sollte. Aufs Schärfste verurteilte der Verband das „brutale Einschreiten“ der Anti-Aufruhr-Einheit ZOMOS gegen rund 5.000 Jugendliche, die am vergangenen Freitag in der südpolnischen Stadt demonstriert hatten. Bei den Zusammenstößen hatte es 39 Verletzte unter den Sicherheitskräften und mehrere Dutzend Verletzte auf Seiten der Demonstranten gegeben.
Nach Angaben eines Mitglieds der Gewerkschaft Solidarität sind die Verhandlungen im sogenannten Jugendausschuß am Dienstag in eine Sackgasse geraten. Die Opposition habe sich bei den Gesprächen am runden Tisch geweigert, eine Regierungserklärung zu unterzeichnen, in der die Demonstranten von Krakau verurteilt wurden. Solidarnosc forderte die Regierung auf, unter anderem die „Unabhängige Studentenvereinigung“ (NZS) wiederzuzulassen. Dieser Forderung schlossen sich die Rektoren weiterführender Schulen in Krakau am Mittwoch an.
Zu einer ungewöhnlichen Maßnahme entschloß sich am Mittwoch die Stadtverwaltung von Warschau: Sie kündigte den Bau mehrerer „Klagemauern“ an zahlreichen Stellen der polnischen Hauptstadt an, auf denen Jugendliche künftig schriftlich ihrem Unmut Ausdruck verleihen sollten. Nicht genehmigte Kundgebungen würden künftig jedoch nicht geduldet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen