Polen nach dem Raketeneinschlag: Zurück zur Normalität
Der Einschlag einer Rakete sorgt in Polen kurz für Aufregung. Doch die USA, die den Luftraum durchgängig kontrollieren, geben schnelle Entwarnung.
Während es im polnischen Internet schon wilde Spekulationen gab, vereinzelt der Nato-Bündnisfall nach Artikel 5 gefordert, aber auch das Schreckensszenario eines dritten Weltkriegs an die Wand gemalt wurden, hielten sich Polens Medien mit ihrer Berichterstattung auffällig zurück. Auch die polnische Regierung verhängte rasch einen Nachrichtenstopp. Präsident Andrzej Duda berief den Sicherheitsrat ein, Premier Mateusz Morawiecki eine Sondersitzung der Regierung.
Erst am späten Abend traten beide vor die Kameras. Präsident Duda hatte da bereits mit dem US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden gesprochen und benutzte eine in Polen selten gebrauchte Formulierung. Im Dorf Przewodów, sechs Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, sei eine Rakete „russischer Bauart“ eingeschlagen. Man wisse aber noch nicht, von wo aus sie abgeschossen worden sei.
In Polen, wo man seit dem 24. Februar jeden Tag über den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine diskutiert, über Waffensysteme und Hilfslieferungen an die Ukraine, über die Gefahren, die sich aus diesem Krieg für Polen ergeben könnte, löste das Wort „Rakete russischer Bauart“ sofort die Assoziation aus: „Die Ukrainer benutzen auch Waffen russischer und sogar noch sowjetischer Bauart.“ Die in Przewodów eingeschlagene Rakete musste also nicht unbedingt von Russland aus abgeschossen worden sein.
Drehscheibe für Waffenlieferungen
Am Mittwochmorgen waren in allen polnischen TV- und Radio-Nachrichtensendern Militärs und Militärexperten zu Gast. Schon in der Nacht hatte Präsident Joe Biden die Meldung der amerikanischen Nachrichtenagentur AP bestätigt, dass es sich um eine ukrainische Abwehrrakete handle. Im Radio TokFM erklärte ein ehemaliger General, dass die polnische Ostgrenze, die zugleich die EU- und Nato-Ostgrenze ist, von amerikanischen und polnischen Aufklärungsflugzeugen kontrolliert werde.
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Außerdem befinde sich im knapp 200 Kilometer entfernten Rzeszów nicht nur eine US-Militärbasis mit modernsten Jagdfliegern, sondern auch die weltweit größte Drehscheibe für Waffenlieferungen an die Ukraine. Ein paar Kilometer weiter liege der strategisch wichtige polnisch-ukrainische Grenzübergang Przemyśl (Bahn) und Medyka (Pkws und Lkws).
Kurz nachdem die Rakete im 400-Seelen-Dorf Przewodów einschlug, war auch schon das polnische und US-Militär zur Stelle, um die näheren Umstände zu klären. Zuvor hatte die Polizei die zerstörte Getreidehalle weiträumig abgesperrt. Die meisten Einwohner des Dorfes packten die wichtigsten Habseligkeiten ins Auto und evakuierten sich selbst. Notfallärzte in zwei Ambulanzwagen kümmerten sich um die Opfer. Alles klappte reibungslos – wohl auch deshalb, weil an der Ostgrenze Polens viele regelmäßig an den Übungen der sogenannten Territorialverteidigung teilnehmen.
Nachdem mehrere Militärs und Militärexperten in den polnischen Nachrichtensendern erklärt hatten, dass Polen nicht erneut zum Aufmarschgebiet für einen weiteren Weltkrieg werden würde, schalteten die Sender wieder auf normales Programm um. Nur jede halbe Stunde wurde in den Fünf-Minuten-Nachrichtenblöcken über die weitere Entwicklung in der „Raketen-Frage“ informiert. Auch Präsident Duda gab ganz offiziell Entwarnung: „Absolut nichts deutet darauf hin, dass dies ein absichtlicher Angriff auf Polen war.“
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