Point 'n' Click: Hemmungslos der Lust verfallen
■ 42.000 katholische Filmtips aus dem Lexikon auf einer CD-ROM
Wo schlägt der deutsche Filmfreund nach, wenn er wissen will, wer bei „Heiße Liebe in Blue-jeans“ Regie geführt hat? Welches Filmlexikon verzeichnet penibel auch noch den dreizehnten und letzten „Schulmädchenreport“? Wo sind alle vier Hauptdarstellerinnen von „Stripped to kill“ aufgelistet?
Das Filmlexikon des Kölner Katholischen Instituts für Medieninformation hilft weiter – egal, ob es um die deutsche Erstaufführung von „Eaten alive by the Cannibals“ oder die Besetzungsliste von „Die 18 Schläge der Shaolin“ geht. Dieses Standardwerk, dessen 15 Bände im Bücherschrank fast einen Meter Regalbrett füllten, liegt nun in CD-ROM-Format vor – verpackt in einer ziemlich coolen Filmdose.
Die Buchversion des „Lexikon des internationalen Films“, das der Rowohlt Verlag herausgibt, hat ihren Weg inzwischen auch in die letzte Provinzstadtbücherei gefunden. Deutsche Filmliebhaber preisen ihren Namen genauso wie viele deutsche Fernsehzeitschriften, die ihre Filminhaltsangaben oft wörtlich aus diesem Standardwerk abschreiben.
Die CD-ROM-Version macht das nun noch einfacher: Mit einem Mausklick kann man die kurzen Einträge direkt in die Textverarbeitung exportieren.
Die Kurzkritiken des „Lexikon des internationalen Films“ stammen aus dem wöchentlichen filmdienst, der von der Katholischen Kirche herausgegeben wird und der auch die letzte filmische B-Film-Entgleisung noch genauestens registriert.
Ich war immer fasziniert von der Vorstellung, daß Angestellte der katholischen Kirche sich im Bahnhofskino herumdrücken, um später gute Christen vor dem „infamen Voyeurismus“ von „Deep Throat in Tokyo“ warnen zu können.
Zwar sind die harschen Maßregeln von einst („Wir raten ab!“) auf der CD-ROM-Version inzwischen entfernt. Aber auch in digitalisierter Form setzt das Nachschlagewerk noch immer moralische Standards: Der italienische Film „Helm auf – Hose runter“ ist – man hat es schon vermutet – eine „Militärklamotte untersten Niveaus, bei „Hemmungslos der Lust verfallen“ ist nicht nur ein „erschreckender Dilettantismus, sondern darüber hinaus eine eindeutig „antikirchliche Tendenz“ festzustellen.
Auch Hochprozentiges bleibt nicht von der klerikalen Kritik verschont: „Natural born killers“ schießt leider „über das Ziel einer bitterbösen Satire weit hinaus“, und beim Spätwerk von Herbert Achternbusch muß „filmisches Unvermögen“ konstatiert werden. Bei dessen Skandalfilm „Das Gespenst“ hält man sich mit Kritik allerdings zurück und formuliert mit Eleganz: „Aus extrem subjektiver Sicht stellt der Film die Frage, was Jesus tun würde, käme er heute nach Bayern.“ Ja, so könnte man es sagen. Auch die Kritikerprosa zu Monika Treuts „Jungfrauenmaschine“ wurde wahrscheinlich von der Katholischen Bischofskonferenz abgesegnet: „Mit manirierter Optik gestalteter Film, der eine bis zur Promiskuität ausgelebte Sexualität als Voraussetzung für Persönlichkeits- und Lebensgewinn beschreibt.“
Neben solchen schönen Formulierungen gibt es noch 1.700 Szenenfotos und einige Filmausschnitte, bei denen man allerdings deutsche Stummfilme wie „Nosferatu“ oder „Metropolis“ vermißt. Neben den Kurzkritiken finden sich auch die substantiellen, nichtfrömmelnden langen Beiträge aus dem filmdienst auf dieser CD- ROM – sowie aus einem Blatt namens „Spuren des Religiösen im Film“. Hier wäre freilich eine Suchfunktion nach Autorennamen praktisch gewesen. Ein echtes Ärgernis ist es allerdings, daß man nicht nach den Originaltiteln der Filme suchen kann.
Sagen wir's im Stil des filmdienst: Eine solide gemachte CD-ROM-Produktion aus katholischer Perspektive, die allerdings über kleine Programmierfehler nicht hinwegtäuschen kann. Tilman Baumgärtel
„Lexikon des internationalen Films. Die ganze Welt des Films auf CD-Rom“. Mit rund 1.700 Bildern und über dreißig Minuten Filmclips.
CD-ROM für Macintosh und Windows-PC, Systhema, ca. 150 Mark
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