Podemos-Parteitag in Spanien: Chef Iglesias setzt sich durch
Im Richtungsstreit um den künftigen Kurs der Podemos siegt Generalsekretär Pablo Iglesias über seinen Gegenspieler Iñigo Errejón.
Bei den Wahlen zum Parteivorstand entfielen auf die Liste um Iglesias 50,8 Prozent. Der Generalsekretär hat damit – dank eines nicht proportionalen Wahlsystems – 60 Prozent der 62 Vorstandsmitglieder hinter sich. Auch bei Abstimmungen über die künftige Politik, die Organisationsstruktur und die Gleichstellung innerhalb der Partei setzte sich Iglesias deutlich gegen die andere starke Strömung um den Politsekretär Iñigo Errejón durch.
Die Anhänger Errejóns werden nur 37 Prozent des Parteivorstands einnehmen. Dritter im Bund sind die trotzkistisch beeinflussten „Antikapitalisten“ rund um den Europaabgeordneten Miguel Urbán. Sie erhielten 13 Prozent der Stimmen, aber aufgrund des Wahlsystems nur 3 Prozent der Sitze.
„Einheit und Demut, um die Partido Popular zu besiegen, um in noch mehr Rathäusern, in autonomen Regionen und in Spanien zu regieren“, rief Iglesias unter dem Jubel der 7.000 Besucher des Parteitages in einer überdachten Stierkampfarena in Madrid. Wie diese Einheit aussehen wird, ob er die unterlegenen Strömungen und vor allem seinen ehemaligen Freund und nun erbittertsten Gegner, die bisherige Nummer zwei Errejón, erneut in die Führungsspitze integrieren wird, darüber schwieg sich der Generalsekretär aus.
Drohung mit Rücktritt
Iglesias hatte in der Woche vor dem Parteitag Errejón mehrfach vorgeworfen, aus Podemos eine neue sozialdemokratische Partei machen zu wollen. Für den Fall, dass seine Vorschläge nicht angenommen würde, drohte Iglesias mit seinem Rücktritt als Generalsekretär und der Niederlegung seines Parlamentsmandats.
Vereinfacht gesagt geht es beim Streit „Pablistas“ gegen „Errejonistas“ darum, ob Podemos sich als Teil eines breiten Linksblocks definiert oder als Bewegung jenseits politischer Richtungen. Wochenlang hatten sich Iglesias und Errejón und ihre Anhänger wilde Debatten über den künftigen Kurs geliefert.
Pablo Iglesias
Auf dem „Bürgerversammlungen“ genannten Parteitag selbst wurde weder debattiert noch abgestimmt. Sämtliche Entscheidungen fielen in Online-Abstimmungen. Der Parteitag glich einem großem Meeting, in dem einer nach dem anderen auftrat, um Programme und Kandidaturen zu verteidigen.
Sowohl Iglesias als auch Errejón hielten Reden, als wären sie auf einem Wahlkampfmeeting. Nur wer zwischen den Zeilen zu lesen vermochte, konnte die Unterschiede zwischen ihnen ausmachen. Iglesias redete von einer Partei, „die in nichts“ den anderen Parteien ähnelt, und vom „politischem Lager“, Errejón von „einem Podemos ohne Etiketten“, das in der Lage sein müsse, ihre Basis auszubauen, in dem jeder, egal woher er käme, willkommen sei.
„Ja, wir können!“ und vor allem „Einheit! Einheit!“ skandierte die Menge immer wieder. Sie applaudierte den beiden Kontrahenten gleichermaßen. „Ich verstehe den Konflikt nicht wirklich“, gestand Pablo Susinos. Der 52-jährige Bibliothekar aus einem Dorf bei Santander gehört dem regionalen Parteivorstand in Kantabrien an. „Die Auseinandersetzung ist sehr madrilenisch“, meinte er. In den Provinzen sei davon wenig zu spüren. Er selbst habe gemischt gewählt: „Die Besten der drei Listen.“
Vertrauen bei den Menschen schaffen
Pilar Vaquero (52), Beamtin aus Madrid, schlug sich im Streit auf die Seite der „Pablistas“. Sie sieht in Iglesias’ neuer, mehr der herkömmlichen linken Politik zugewandten Politik die Chance, einen „Wechsel in der Gesellschaft herbeizuführen“. „Einheit ja, aber keine falsche Einheit“ will sie ab dem Montag verwirklicht sehen. Die Verlierer müssten sich unterordnen.
„Wenn unterschiedliche Meinungen zum Ausdruck gebracht werden, ist es nötig zuzuhören“, mahnte Mar Mas. Die 50-jährige Kapitänin und LGBTI*-Aktivistin wählte die Liste Errejón, weil ihrer Meinung nach Politik in den Institutionen nötig sei, um Vertrauen bei den Menschen zu schaffen. Podemos müsse in der Lage sein, Spanien zu regieren. Mas mahnte: „Wir müssen uns zusammenraufen, denn wir haben eine große Verantwortung. Wir müssen Schluss machen mit der sozialen Ungerechtigkeit, der Korruption, der Regierung der PP und einer Sozialdemokratie, die keine ist.“
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