Podcast über Geschlechterstereotype: Tollpatschige und Animalische
Der Podcast „Feminist Shelf Control“ analysiert den ideologischen Unterbau von amerikanischen Schnulzenromanen.
Auf ungezählten Buchcovern im Romantikregal der Bahnhofsbuchhandlung schauen sich junge, makellose, weiße Paare innig in die Augen. Wer die Bücher nicht selbst lesen möchte und sich dennoch wundert, was wohl in den immer gleichen Werken erzählt wird, sollte sich „Feminist Shelf Control“ anhören. In dem Podcast besprechen Annika Brockschmidt und Rebekka Endler aus feministischer Perspektive die Ideologie dieser meist amerikanischen Romantikromane. Brockschmidt und Endler kommentieren kritisch und schaffen es gleichzeitig, einen laut zum Lachen zu bringen.
Dabei untersuchen die Journalistinnen vom Cover bis zum Klappentext alles minutiös auf rechtskonservative Weltanschauungen. Die Frauenfiguren sind immer klein, zierlich und blond. Tollpatschig, unschuldig und natürlich weiß. Der Mann ist groß, größer, am größten, animalisch und aggressiv. Diese Art, Paare zu porträtieren, zeugt offensichtlich vom ideologischen Unterbau, betonen die Podcasterinnen.
Seit April erscheinen alle acht Tage neue Folgen über das Sachbuch von Franca Lehfeldt und Nena Brockhaus namens „Alte Weise Männer“. Zwar handelt es sich dabei nicht wie sonst um eine Romanze, jedoch – wie der Untertitel verrät – um eine „Hommage an eine bedrohte Spezies“. Also doch eine romantische Liebeserklärung? Brockschmidt und Endler analysieren haarscharf, wie sich die Autorinnen weigern zu verstehen, was hinter dem Begriff „alte weiße Männer“ steckt. Denn die klammern die strukturelle Dominanz von Männern aus und berufen sich stattdessen darauf, dass der Begriff ein Zeugnis von Ageism oder Rassismus gegen Weiße sei. Die Podcasterinnen zeigen auf, welch misogynes Gedankengut in dem Text wiedergegeben wird. Sie treffen alle moralistischen Schlagwörter, heben jedoch nicht in den linken Elfenbeinturm ab, sondern füllen den Podcast mit klugen Scherzen und lockeren Konversationen, die die Atmosphäre eines Buchclubs unter Freund*innen erzeugt. Valérie Catil
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl