Podcast über Anastasia-Bewegung: Rechte zurück zur Natur
Was steckt hinter der Anastasia-Bewegung? Der Podcast „Seelenfänger“ zeigt ihre Positionen auf: antimodern, antisemitisch und antifeministisch.
Sie wollte raus. Raus aus dem beruflichen Bedrückenden und dem alltäglichen Allerlei, hinein in das natürliche Erleben. Sich selbst spüren in einem unentfremdeten Leben. Sie wollte der entzauberten Welt entfliehen. Über ein Yoga-Retreat im russischen Kaukasus fand Swetlana zur Anastasia-Bewegung (AB). In den ersten Folgen des Podcast „Seelenfänger: Der Anastasia-Kult“ schildert die jüdische Frau ihre Hinwendung zu der rechtsextrem-esoterischen Bewegung – und ihre Abkehr. Sie ist eine der vielen Stimmen im sechsteiligen Podcast vom Autor*innen-Team Emeli Glaser und Dennis Müller für den Bayerischen Rundfunk.
Vom Allgäu bis nach Brandenburg mit einem Abstecher nach Österreich haben Glaser und Müller über die aus Russland kommende AB recherchiert, die 2014 ein erstes Festival in Deutschland veranstaltet hat und ein Zurück zur Natur auf Familienlandsitzen anstrebt. Glaser und Müller haben Töne und Eindrücke gesammelt und verbunden, sachlich zusammengetragen und ruhig erzählt.
Als die heute 30-jährige Swetlana im Jahr 2017 langsam Kontakte zur AB in Deutschland knüpft, schwärmt sie von den herzlichen Umarmungen und den tiefgehenden Gesprächen. Sie wandert mit den Anhänger*innen, umarmt Bäume und springt über Feuer. Doch dann empfindet sie immer mehr Dissonanzen. Manche Anhäger*innen reden von „weißer Vorherrschaft“ und „jüdischen Machenschaften“ Sie haben durch die Anastasia-Buchreihe von Wladimir Megre ihre Welt- und Lebenssichtweise gefunden. Die zehn Bände sind die Bibel der Bewegung.
Reichsbewegte und Druiden
Frank Willy Ludwig läutet den Bruch in dieser Gemeinschaft von Swetlana ein. Er ist Missionar für die Bewegung und Betreiber der Website „Urahnenerbe Germania“. Wie ein Druide habe er ausgesehen, naturverbunden und nett, sagt Swetlana, aber er redete von der übermächtigen Trans-Lobby, davon, dass Männer mit Nagellack der Untergang des Abendlandes seien.
Der Journalist Silvio Duwe, der zwei Jahre undercover für das ARD-Magazin „Kontraste“ in der Bewegung recherchierte, berichtet von einem Treffen, bei dem eine Frau sich wegen des rechtsextremen Geschichtsrevisionismus beschwert. Die anwesenden Reichsbewegten und Rechtsextremen hätten geheult, weil ihr Vaterland schlecht gemacht wurde. Die Frau musste die Gruppe verlassen.
Das Podcast-Team besuchte auch den Betreiber eines Familienlandsitzes in Österreich, Bruno Weihsbrodt. Beim Rumführen erklärte er nicht bloß Blätter kauend die Bepflanzung, sondern sogleich, dass Menschen die Weltbank und die Politiker kontrollieren und befehlen. Er sagt selbst, dass diese Aussagen in den Büchern von Megre vorkommen. Die Autor*innen klinken sich an solchen Stellen ein, erläutern die Aussagen oder lassen Expert*innen Einordnungen vornehmen – dieses Zusammenspiel ist eine der Qualitäten des Podcast.
Glaser und Müller verweisen oft auf Stellen in Megres Epos, in dem mit offensichtlicher Fiktion und vermeintlichen Fakten gespielt wird. Der Autor und frühere Geschäftsmann will die russische Waldfee getroffen und im Gespräch mir ihr „Weisheiten“ gefunden haben. Doch er verkündet nicht nur Naturromantik, sondern fabuliert auch von jüdischen Machteinflüssen, macht die Verfolgten damit zu angeblich Verursachenden. Er schreibt, dass der erste Sexualpartner einer „jungen Frau“ dem späteren Nachwuchs, den sie mit anderen Partnern hat, seine physische und psychologische Prägung geben würde. Diese längst verworfene Idee des 19. Jahrhunderts ordnet Anna Weers von der Amadeu Antonio Stiftung deutlich ein. Sie ist Rassismus pur, um die weiße Rasse zu bewahren.
„Seelenfänger: Der Anastasia-Kult“, 6 Folgen in der ARD-Audiothek
In Russland sollen über 200 Familienlandsitze bestehen, in Deutschland sind an die 20 Projekte bekannt. Der Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung der „Taiga Queen“ (O-Ton der Autor*innen) kaum, was Andrea Röpke kritisiert. Die Journalistin ist Expertin für Rechtsextremismus. Sie berichtet über rechte Treffen bei dem AB-Projekt „Goldenes Grabow“ und warnt, der Öko-Look sollte nicht über die Radikalität hinwegtäuschen. Glaser und Müller kommen zu einem ähnlichen Fazit: Bei der AB sind rechtsextreme Positionen untrennbar mit Heimat- und Naturliebe verwoben.
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