: Plündern im Namen des Präsidenten
Angehörige von Kongos Präsidentenfamilie sollen sich systematisch über illegale Schürfer am Kupfer- und Kobaltbergbau bereichern. Eine Klage in Belgien ist in Vorbereitung

Aus Brüssel François Misser
Das Vorgehen ist immer gleich: eine Firma oder eine Personengruppe rückt in ein Bergwerk der südkongolesischen Provinz Lualaba ein, Herz des Kupfer- und Kobaltbergbaus der Demokratischen Republik Kongo in der Region Katanga. Das Bergwerk gehört eigentlich Kongos Staatsfirma Gécamines und wird von dieser in einem Joint-Venture mit einem ausländischen Investor betrieben, der die nötigen Investitionen und Technologien beisteuert. Aber jetzt werden kurzfristig angeheuerte Kleinschürfer auf das Gelände gekarrt, um aus den Abraumhalden mineralienhaltiges Gestein herauszuschaffen und auf Lastwagen wegzubringen, an den legalen Betreibern vorbei.
Die Abraumhalden („tailings“) sind leicht zugänglich, es sind große Gesteinshaufen aus dem industriellen Abbau, der Millionen von Tonnen im Tagebau oder in Stollen aus der Erde holt, um aus den wertvollsten davon die lukrativen Erze zu extrahieren, und den Rest liegenlässt. Auch die Halden enthalten noch Erze, sie sind sozusagen die Rücklagen der Minenbetreiber, mit deren weiterer Bearbeitung weitere Investitionen finanziert werden können. Wenn man sie klaut, untergräbt man das Geschäftsmodell des legalen industriellen Bergbaus, erläutert ein Mineningenieur aus Katanga der taz.
Nun bereiten zivilgesellschaftliche Gruppen, Bergbaugewerkschaften, Kooperativen und Politiker aus Katanga eine Klage gegen Kongos Präsident Felix Tshisekedi wegen dieser illegalen Praktiken vor. Der Vorwurf: Die Täter agieren im Auftrag eines Angehörigen der Familie von Kongos Präsident Felix Tshisekedi und unter Schutz der Präsidialgarde, der Armee oder Lualabas Tshisekedi-treuer Provinzgouverneurin Fifi Masuka.
Der belgische Jurist Bernard Maingain, der schon viele hochkarätige Verfahren im Afrika der Großen Seen geführt hat, will die Klage im Juli bei der belgischen Staatsanwaltschaft einreichen. Er hat Tausende Seiten belastendes Material gesammelt, sagt er der taz. Die meisten Angehörigen der Familie Tshisekedi besitzen neben der kongolesischen auch die belgische Staatsbürgerschaft und können damit in der ehemaligen Kolonialmacht belangt werden.
Schon seit 2020 schlagen kongolesische Whistleblower Alarm über Tshisekedis Bergbaupolitik und sprechen von „systematischer Ausplünderung“ Katangas durch die politische Elite im Umfeld Tshisekedis, der aus der Nachbarregion Kasai stammt. In solchen Vorwürfen schwingt immer mit, dass Katangas Reichtümer illegal von anderen Landesteilen gekapert werden. Kongos Staat sei um Milliardensummen geschädigt worden, so Maingain. Die Klage bezieht sich auch auf Geldwäsche, Korruption, Menschenrechts- und Arbeitsrechtsverletzungen.
Der kongolesische Investigativjournalist Freddy Mulongo, der als Flüchtling in Paris lebt, spricht von 7.500 Tonnen Mineralien, die jeden Tag verschwinden. Dies würde 225 Tonnen Kupfererz entsprechen – mit einem aktuellen Marktwert von über 2 Millionen US-Dollar, der noch steigt, wenn man das viel wertvollere Kobalt mitberechnet. Damit kommt man schnell auf eine Milliarde US-Dollar pro Jahr.
Größter Nutznießer der illegalen Praktiken, sagen katangische Zivilgesellschaftler, ist Christian Tshisekedi, der jüngere Bruder des Präsidenten. Er habe Schürfer in die Mine Kimbalasani nahe der Bergbaustadt Fungurume gebracht, Teil einer Konzession der Firma Boss Mining, ein Tochterunternehmen der kasachischen „Eurasian Resources Group“ (ERG). 50 Lastwagen pro Tag würden illegal an drei chinesische Firmen gehen. Zwei weitere Minen im Boss-Mining-Gelände würden auf diese Weise geplündert.
Weiter genannt wird Kally Tshisekedi, Schwester des Präsidenten. Sie soll zusammen mit dem chinesischen Geschäftsmann Soleil Djang die Kobaltmine Katapula plündern sowie eine andere ERG-Tochter namens „Congolaise des Mines et du Développement“ (COMIDE) und weitere Minen. Robert Tshisekedi, ein weiterer Bruder des Präsidenten, soll die ERG-Mine Kakanda plündern. Genannt werden auch ein Joël Tshisekedi sowie Jean-Claude Mulumba, älterer Bruder des Präsidenten, sowie Fanny Tshisekedi, Tochter der First Lady, die bei deren Hochzeit mit dem Präsidenten von diesem adoptiert wurde. Fannys Bruder Anthony vertritt den kongolesischen Staat im Joint-Venture „Sicomines“ zwischen Gécamines und den chinesischen Großunternehmen China Railways, Sinohydro und Zhejiang Huayou Cobalt, das Herzstück der milliardenschweren chinesischen Investitionen in der DR Kongo.
Die illegalen Praktiken haben ein solches Ausmaß angenommen, sagen investigative Quellen, dass im Jahr 2023 die Generalinspektion der Streitkräfte einer ERG-Beschwerde über von Soldaten geschützte Minenbesetzungen durch illegale Schürfer in der Mine Kinkasala nachging. Sie erhielt die Auskunft, die Mine „gehört Maman Marthe“ – gemeint ist die als sehr einflussreich geltende Mutter des Präsidenten, Marthe Kasulu Tshisekedi. Die ist von der Klage ebenso wenig betroffen wie der Präsident selbst, da beide keine belgischen Pässe haben – anders allerdings als die First Lady sowie ein weiterer Präsidentenbruder, Thierry Tshisekedi, den ERG als einen weiteren Kopf hinter der illegalen Plünderung ausgemacht haben will.
In Katanga sind all diese Vorgänge allgemein bekannt. Das Gefühl, dass der reichste Landesteil ausgeplündert wird, ist dort seit Langem vorhanden. Es wird nun politisch dadurch kanalisiert, dass Präsident Tshisekedi nacheinander alle wichtigen Politiker Katangas zum Schweigen bringt: Oppositionsführer Moise Katumbi, erfolgloser Gegenkandidat Tshisekedis bei dessen Wiederwahl 2023, sowie Expräsident Joseph Kabila, der der Zusammenarbeit mit den M23-Rebellen im Osten der DR Kongo beschuldigt wird.
Für Tshisekedis Versuche, Investoren zu gewinnen, sind die Klagevorbereitungen ein Problem. Das Land liegt ohnehin weit hinten in den globalen Rankings zu Korruption und Geschäftsklima. Die DR Kongo bemüht sich aktuell um Sicherheitsgarantien aus den USA gegen die Rebellen im Gegenzug für Bergbaurechte. Dafür müsste die Regierung aber Investoren Sicherheit bieten können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen