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Plenarsitzung im AbgeordnetenhausBegleitet vom „Hofnarr“-Vorwurf

Am Rednerpult geht es um die BVG, doch viele Blicke richten sich auf Kultursenator Chialo. Der war jüngst Ziel umstrittener Worte von Kanzler Scholz.

Kultursenator Joe Chialo und Regierungschef Kai Wegner (beide CDU) kurz vor Beginn der Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin taz | Es ist ja nicht so, dass das eigentliche Thema langweilig wäre. Im Gegenteil. Um die BVG, die S-Bahn und um ein angebliches Chaos dort soll es in der zentralen Debatte gleich im Abgeordnetenhaus gehen.

Doch im Fokus steht kurz vor Beginn der Sitzung der Mann, der auf der rechten Seite der Regierungsbank gerade seinen beigen Mantel ablegt. Sonst ist es in solchen Momenten am Platz von Kultursenator Joe Chialo (CDU) meist ruhig, die wichtigsten Leute der Koalition stehen anderswo zusammen.

Anders an diesem Morgen nach Bekanntwerden von umstrittenen Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – der hatte ihm gegenüber unter anderem den Begriff „Hofnarren“ verwendet. Es gibt an Chialos Platz sofortige Umarmungen von CDU- wie SPD-Senatskollegen, und kurz darauf steht auch Regierungschef Kai Wegner (CDU) neben ihm.

Würde Chialo sein bisheriges Schweigen dazu in der Fragestunde später am Vormittag beenden? Eineinhalb Stunden geht es vorerst um die Lage bei Bus und Bahn. Grüne und Linkspartei sehen den Nahverkehr im Chaos versinken und die Stadt wegen schlechter Arbeitsbedingungen bald ohne Bus- und Bahnfahrer da stehen. Die Verkehrssenatorin sieht das ganz anders. „Krise? Welche Krise?“, fragt Ute Bonde (CDU).

Kontroverse Sicht auf Lage bei der BVG

Aus ihrer Sicht ist die BVG ein „hochattraktiver Arbeitgeber“. Die von der Opposition als bedrohlich hoch beschriebene Weggangsrate bei den Mitarbeitern liegt laut Bonde konkret bei 7,7 Prozent und damit deutlich unter einem 12-Prozent-Wert der oft zum Vergleich herangezogenen Hamburger Hochbahn.

Noch bevor aber die Senatorin zu reden beginnt, läuft im Plenarsaal eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur ein. Ihr hat Chialo eine Stellungnahme geschickt. Laut der waren die Scholz-Worte für ihn „herabwürdigend und verletzend“.

Am Mikrofon aber geht es weiter um die aktuellen Gehaltsforderungen der BVG-Mitarbeiter, die dafür am Montag zum zweiten Mal binnen 14 Tagen streikten. Es geht aber auch um Einsparungen im Nachtragshaushalt, gerade bei der Beschleunigung des Nahverkehrs.

„Wo sind die neuen Busspuren, wo sind die neuen Vorrangschaltungen?“, drängt Kristian Ronneburg, der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion. Seine Kollegin von den Grünen, Antje Kapek, hält die CDU beim Blick auf die BVG für weltfremd: Draußen würden Tausende demonstrieren, „und Sie tun so, als gäbe es kein Problem“.

Auch uneins über die S-Bahn-Ausschreibung

Die CDU wiederum kritisiert, die Opposition rede die BVG schlecht. Kapek weist das weit von sich: „Wir reden nicht die BVG schlecht, sondern Ihre Politik, und das zu Recht.“ Die SPD hält sich bei den gegenseitigen Anwürfen eher zurück, mag aber auch nicht alles stehen lassen, was von Kapek zu hören ist. Die hat der schwarz-roten Regierung etwa vorgeworfen, erneut die Ausschreibung für die S-Bahn verschoben zu haben. „Die Ausschreibung hätte 2021 rausgehört“, sagt der SPD-Abgeordnete und Ex-Finanzsenator Matthias Kollatz – in einem Jahr also, in dem die Grünen wie durchweg von 2016 bis 2023 die Verkehrssenatorin stellten.

Chialo verfolgt das alles ruhig von seinem Platz aus und muss auch in der Fragestunde nichts beantworten – nachdem seine Stellungnahme zu Scholz öffentlich ist, bleibt eine Frage dazu aus. Für den Kultursenator kann es dennoch ein besonderer Tag sein. Wenn er bei der nächsten Sitzung, vier Tage nach der Bundestagswahl, auf seinem Platz sitzt, ist das vielleicht einer seiner letzten Auftritte dort. Denn Chialo, auch Mitglied des CDU-Bundesvorstands, gilt als möglicher neuer Kulturstaatsminister in einem CDU-geführten Kanzleramt.

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