Playoffs in der NBA: Zeit der Missachteten
Die LA Lakers und Miami Heat hatte keiner auf der Rechnung, als die Playoffs begannen. Jetzt mischen sie das Titelrennen auf.
D ie Mannschaften der NBA müssen sich durch einen langen Parcours quälen, bis sie endlich das gelobte Land der Playoffs erreichen. Sie reisen monatelang kreuz und quer durch die Staaten, jetten von Milwaukee nach Orlando, von Toronto nach Dallas, nur um sich eine gute Ausgangslage fürs Saisonfinale zu erarbeiten. Erst nach 82 Spielen geht es um die Wurst.
In den dann folgenden Ausscheidungsspielen kann alles passieren: Die dominierenden Mannschaften pflügen durch die Phalanx der Kontrahenten wie Asterix und Obelix durch die Reihen der Römer – oder die Underdogs düpieren die Topteams. Genau das geschieht just in der besten Basketballliga der Welt. Zwei Teams, die sich gerade so in die Knock-out-Partien gemogelt haben, sorgen für Furore: Miami Heat und Los Angeles Lakers.
Die Lakers, in ihrer Conference an Nummer 7 gesetzt, fordern nun im Halbfinale die Nummer 1 heraus, die Denver Nuggets. Und Miami, Nummer 8, spielt gegen die Boston Celtics (2). Die Saison-Vorleistungen scheinen keine allzu große Rolle mehr zu spielen, der Kredit ist schnell verspielt, denn die Lakers haben die besser eingestuften Memphis Grizzlies und anschließend Meister Golden State herausgeworfen.
Miami machte dem eigentlich besten Team der Saison, den Milwaukee Bucks um Superstar Giannis Antetokounmpo und hernach den New York Knicks den Garaus. Beide Emporkömmlinge, Miami und LA, blicken auf eine äußerst durchwachsene Saison zurück. Noch vor Monaten hätte kaum einer an die Cinderella Stories der Teams aus Kalifornien und Florida geglaubt, wurde ihr Rhythmus doch immer wieder von Verletzungen oder Umbauten im Kader gestört.
Das Team als Star
Nun ist es vor allem Miami, das die alte Sportweisheit einmal mehr bestätigt: Das Team ist mehr als seine Einzelspieler. Im Kader der Heat stehen sage und schreibe acht ungedraftete Spieler, also Akteure, die im Auswahlverfahren der NBA zunächst durchgefallen sind: Duncan Robinson, Altmeister Udonis Haslem, Gabe Vincent, Max Strus, Caleb Martin, Dewayne Dedmon, Omer Yurtseven und Haywood Highsmith.
Wichtige Rollenspieler, das muss der Wahrheit halber gesagt werden, sind nur Dreierspezialist Robinson sowie die nicht weniger begabten Scharfschützen Martin, Strus und Vincent. Aber die Konzentration der Heat auf missachtete Talente und deren konsequente Förderung ist bemerkenswert und ziemlich selten in der NBA, einer Liga, die auf Stars und deren Durchschlagskraft setzt.
Einen Führungsspieler hat Miami in Jimmy Butler freilich auch. Der Mann, der angeblich keine seiner Mahlzeiten ohne Avocado einnimmt, passt aber genau in die gerade kursierende Erzählung über die Heat, denn Butler wurde auch nur an Nummer 30 gedraftet, kämpfte sich beharrlich an die Spitze. Seine Saison war alles andere als überragend, mit 22,9 Punkten pro Spiel. Schon im Play-in-Tournament (eine Playoff-Vorauswahl) steigerte er sich, und in den Playoffs versenkt der Flügelspieler nun 31,1 Punkte pro Partie. Die Mannschaft agiert wie aus einem Guss und konnte sogar die Verletzung von Aufbauspieler Tyler Herro kompensieren.
Ihre Reife können nun endlich auch die Los Angeles Lakers ausspielen, nachdem sie noch vor Monaten als hoffnungsloser Fall gegolten hatten. Einzig der Punkterekord für die Ewigkeit von LeBron James schien ein kurzes Schlaglicht auf eine verkorkste Saison zu werfen. Im Saisonfinale fand die Mannschaft des deutschen Nationalspielers Dennis Schröder zur Überraschung vieler Experten immer mehr zusammen, was wohl zwei Hauptursachen hat: die verlässliche Performance von James und Co-Star Anthony Davis – und einem Bürschchen-Wunder.
Der ebenfalls ungedraftete und mit deutschen Wurzeln ausgestattete Aufbauspieler Austin Reaves, der sich peu à peu in die Startformation gespielt hat, fungiert als stabilisierender Anker. Das ist umso erstaunlicher, als Reaves nicht als jener superathletische und pfeilschnelle Guard auftritt, der bei Trainern in der NBA beliebt ist, sondern mit hohem Basketball-IQ sich und seine Mitspieler clever in Szene setzt.
Alles ist möglich, heißt es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wieder einmal. So taugen die NBA-Playoffs für zweierlei: Kalendersprüche – und gute Unterhaltung.
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