Außenseiter im US-Basketball-Finale: Arbeiter aus Miami

Miami Heat steht völlig überraschend in den NBA-Finals gegen die Denver Nuggets. Das hat viel mit dem Ausnahmespieler Jimmy Butler zu tun.

Portrait von Jimmy Butler

US-Nationalspieler Jimmy Butler Foto: Wilfredo Lee/ap

Sport kann grausam sein. Da spielt man wie die Boston Celtics katastrophal, verliert die ersten drei Spiele sang- und klanglos gegen die Miami Heat, gewinnt die nächsten drei Spiele und steht davor, Geschichte zu schreiben. Denn noch nie hat jemand ein 0:3 in einen Erfolg verwandelt – nur, um im siebten und entscheidenden Spiel wieder eine fürchterliche Leistung abzuliefern. 84:103 gingen die Celtics, der Rekordmeister der NBA, unter gegen den krassen Außenseiter aus Miami, der nun ab Donnerstag im Finale gegen die Denver Nuggets um den Titel spielen darf.

Das ist vor allem der Verdienst von Jimmy Butler. Der 33-jährige US-Nationalspieler ist vielleicht der unwahrscheinlichste Superstar der NBA. Er ist mit seinen 2,01 Metern nicht allzu imposant, er ist kein irrsinnig guter Schütze, kein überragender Vorbereiter. Er macht nichts außergewöhnlich gut, aber sehr vieles sehr gut. Was ihn vor allem auszeichnet, ist ein an Starrsinn grenzender Glaube an sich selbst und ein übersteigerter Ehrgeiz, mit dem er im Laufe seiner Karriere immer wieder aneckte. Oder, wie er es selbst nach Spiel sieben formulierte: „Ich bin einfach selbstbewusst.“

Wie unerschütterlich dieses Selbstbewusstsein ist, demonstrierte Butler gegen die Celtics mit dem viel talentierteren Kader. Zudem musste Miami auf einen ihrer besten Spieler, den verletzten Tyler Hero, verzichten. Überraschend gewannen die Heat trotzdem die ersten drei Spiele, nur um Spiel Nummer vier zu verlieren. Trotzig ließ Butler wissen, dass man im nächsten Spiel den Sack zumachen werde.

Eine Prophezeiung, die er nach jeder weiteren Niederlage mantraartig wiederholte – bis er im siebten Spiel doch noch recht behielt und mit 28 Punkten erfolgreichster Korbjäger auf dem Platz war. „Einen Spieler, an dem man sich aufrichten kann, gerade in den Momenten der Wahrheit“, versuchte sich sein Trainer Eric Spoelstra an einer Erklärung. „Er gibt den anderen ein unglaubliches Selbstbewusstsein.“

Ständiger Unruhestifter

Mit diesem Selbstbewusstsein und Ehrgeiz gehen allerdings Ansprüche an seine Teamkollegen, Trainer und Klub einher, mit denen sich Butler nicht immer und überall beliebt gemacht hat. All seine bisherigen NBA-Stationen, die Chicago Bulls, Minnesota Timberwolves und Philadelphia 76ers, verließ der in Texas aufgewachsene Country-Musik-Fan im Unfrieden, weil er sich mit allen anlegt, die seiner Meinung nach Basketball nicht so ernst nehmen wie er. Außerdem hat er ein loses Mundwerk, ist cholerisch und schreckt vor Handgreiflichkeiten nicht zurück: Superstar ­LeBron James ist beileibe nicht der Einzige, mit dem Butler schon aneinander geraten ist.

Sein Temperament macht auch vor den Mitspielern und Trainern nicht Halt: Vor einem Jahr prügelte sich fast die ganze Mannschaft während eines Spiels, nachdem Butler und Spoelstra sich lautstark gestritten hatten. „Er ist unglaublich intensiv, aber hier muss er sich dafür niemals entschuldigen“, sagte Spoelstra. „Nicht jeder kommt mit seiner Art klar, er kann hart sein, sogar grimmig, aber mit den Miami Heat kommt auch nicht jeder klar – deshalb ist das eine perfekte Beziehung.“

Ohne die sogenannte „Heat culture“ kommt aktuell kein Kommentator aus, der den unerwarteten Erfolg des Teams erklären will, das ausgerechnet in der glitzernden Touristenhochburg Miami auf harte Arbeit setzt und auf Spieler, die von anderen Vereinen übersehen oder ausgemustert wurden, wie der zuletzt überragende Caleb Martin. Ein Paradigmenwechsel, der einsetzte, als LeBron James 2014 den Verein verließ. „Wir haben ein paar unglaubliche Kämpfer in dieser Kabine, die es lieben, da rauszugehen und es den Leuten zu beweisen“, sagt Coach Spoelstra.

Eine Quote von 150:1 zahlten die Buchmacher denen, die vor den Playoffs auf Miami setzten. Auch jetzt gibt niemand den Heat eine Chance gegen die Nuggets. Das Team um Nikola Jokić, den aktuell wohl besten Spieler des Planeten, ist eine gut geölte Offensiv-Maschine, die gerade die Los Angeles Lakers mit LeBron auseinandergenommen hat. Jimmy Butler sagt unbeeindruckt: „Die meisten in unserem Kader haben keine Angst vor großen Momenten. Sehen wir mal, was in Denver passiert. Ich mag unsere Chancen.“

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