: „Plattmachen“ war die Devise
Zwei Jahre und sechs Monate Haft für einen Skinhead, der einen Polizisten mit einer Stahlrute niederschlug. Grund: Er wollte sich vor seinen Kumpels beweisen ■ Von Plutonia Plarre
Daß er sich mit einem Kollegen ausgerechnet in einer Skinhead- Kneipe in Weißensee zum Biertrinken traf, hat ein 37jähriger Polizist im vergangenen Sommer fast mit dem Leben bezahlt. Nach dem Lokalbesuch wurde der Beamte an einer Bushaltestelle mit einer Stahlrute niedergeschlagen und erlitt einen Schädelbruch nebst Hirntrauma. Sein Kollege hatte Glück und trug nur eine Gehirnerschütterung davon.
Gestern wurde einer der Täter vom Landgericht zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der 22jährige Skinhead Michael H. war Monate nach der Tat bei einem rechtsgerichteten Liederabend ermittelt und verhaftet worden. Bei der Kripo und vor Gericht gab er die Schläge mit der Stahlrute zu. Gegen andere Skinheads wird noch ermittelt. Eine schlüssige Antwort auf die Frage nach dem Auslöser für die Tat war gestern weder von dem Angeklagten noch von den beiden als Zeugen gehörten Polizisten zu erfahren.
Der Vorfall hatte sich am 17. August gegen zwei Uhr morgens vor dem Heinersdorfer Krug in Weißensee ereignet. Die beiden in Zivil gekleideten Polizisten hatten die Kneipe damals nach Dienstschluß aufgesucht. Daß es sich um einen Skinhead-Treffpunkt handele, sei ihnen bewußt gewesen, zu der Uhrzeit habe aber keine andere Kneipe offen gehabt. Sie hätten mit „zwei bis drei Mädels und einer männlichen Person“ an einem Tisch gesessen und geredet. Es sei davon gesprochen worden, daß eines der Mädchen schwanger sei. Nein, Streit habe es nicht gegeben, versicherten die Zeugen auf mehrfache Nachfrage des Vorsitzenden Richters Peter Faust. „Dann ist es für Sie also ein echtes Rätsel, warum Sie später draußen attackiert wurden?“ fragte der Richter erstaunt und bekam ein Nicken zur Antwort.
Der 22jährige kurzgeschorene Michael H. behauptete gestern, er habe damals „gehört“, daß einer der Polizisten das schwangere Mädchen „geschubst“ habe. Davon hatte der Beschuldigte bei seiner früheren Aussage bei der Kripo allerdings kein Wort gesagt. Die Stimmung in dem Lokal sei einfach „Plattmachen“ gewesen, so seine damalige Aussage. Daß die beiden Männer Polizisten gewesen seien, habe er nicht gewußt, „sonst hätte ich es nicht gemacht“, versicherte der Angeklagte gestern.
„Ich war damals nicht so gut drauf und habe deshalb viel getrunken“, sagte H. Bei der Kripo hatte der körperlich kleine Mann erklärt, daß er sich vor den anderen Skinheads hätte beweisen müssen. „Ich habe ein Problem mit meinem Selbstwertgefühl.“ Der Kommentar des Vorsitzenden Richters dazu: „Und dann hauen Sie anderen Leuten mit einem Metallstock auf den Kopf. Das ist ja 'ne eigenartige Therapie.“ Seine vor Gericht zur Schau gestellte Reue kaufte der Vorsitzende dem wegen Körperverletzung mehrfach vorbestraften Angeklagten nur sehr bedingt ab. „Bei mir wären Sie schon beim letzten Mal eingefahren“, kritisierte Faust das letzte Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt, wo H. geboren wurde und aufwuchs. Neben seinem Urteil muß sich Michael H. nun noch auf einen Bewährungswiderruf einrichten. Das heißt, daß er insgesamt vier Jahre und sechs Monate verbüßen muß.
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