Plattform Torial droht Ende: LinkedIn für Journalismus vor Aus
Die Journalismus-Plattform Torial steht vor dem Ende. Journalist*innen kämpfen für ihren Erhalt. Jetzt sind neue Investoren im Gespräch.
Verabschiedet hatte man sich eigentlich schon. „Es geht wohl zu Ende mit torial. Tut uns unendlich leid“, schrieb der Geschäftsführer der Journalisten-Plattform, Marcus Jordan, Anfang November an die rund 6.000 Mitglieder. Doch jetzt kommt wieder Bewegung in die Debatte.
Auf der Website torial.com können Medienschaffende sich kostenlos ein Profil anlegen und Arbeitsproben hochladen, ähnlich wie bei LinkedIn. Betrieben wird sie seit 2011 von der Schwingenstein-Stiftung. Doch damit könnte es zum 1. Januar 2024 vorbei sein. „Die Gründe sind schnell erklärt: Unsere Stiftung verfügt über keine Mittel mehr“, schreibt Jordan in seiner E-Mail. Und, fast so als wolle er das nicht wahrhaben: „Vielleicht passiert ja doch noch was.“
Das ist nun der Fall: Zunächst haben Dutzende Medienschaffende in einem offenen Brief vom 22. November vor dem Niedergang des Netzwerks gewarnt. „Torial ist eine einzigartige Plattform, die es Redaktionen ermöglicht, freiberufliche Journalist*innen zu spezifischen Themen oder Regionen zu finden“, heißt es darin. Um die Schließung in letzter Minute zu verhindern, fordern sie Verbände sowie Redaktionen auf, sich zusammenzuschließen.
Besonders wichtig für FLINTA-Journalist*innen
Verfasst haben das Schreiben FLINTA-Journalist*innen. Gemeint sind mit der Abkürzung Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Personen. Warum setzt sich ausgerechnet diese Gruppe für die Plattform ein? „FLINTA sind in den Medien immer noch unterrepräsentiert. Deshalb ist es für sie besonders wichtig, sichtbar zu sein“, erklärt auf taz-Anfrage die freie Journalistin Ulrike Wagener, die den Brief mitinitiiert hat. Torial biete genau das, nämlich „dass einmal andere Personen angefragt werden als sonst“, so Wagener.
Um die Plattform weiter zu betreiben, müssten circa 50.000 Euro pro Jahr kalkuliert werden. So viel habe man bisher ausgegeben, erklärt Jordan auf Anfrage. Er halte es für sinnvoll, in Zukunft ein mobiles Interface zu entwickeln. Dafür wären ihm zufolge weitere 50.000 Euro nötig. Einnahmen durch Spenden von Nutzenden in Höhe von 15.000 Euro hält er für „realistisch“.
Auf der Suche nach neuen Trägern habe Jordan von Verdi seiner Erinnerung nach keine Antwort erhalten. Der dortige Bereichsleiter für Medien, Matthias von Fintel, teilt auf Nachfrage mit: Der Weiterbetrieb von torial komme für die Gewerkschaft nicht in Betracht. „Unsere Satzung erlaubt es uns nicht, gewerbliche Digitalplattformen zu betreiben, das schließt leider auch einen Mischbetrieb ein“, so von Fintel.
Branchenverbände sollen sich zusammenschließen
Mehr Grund zur Hoffnung gibt in diesem Fall der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Dessen Vorsitzender Henrik Zörner schreibt, zurzeit werde geprüft, ob man aktiv werde. Aber er betont auch: Die Mittel des DJV-Bundesverbands seien „endlich“.
Der dritte Verband, den der offene Brief anspricht, sind die Freischreiber. Deren Vorsitzender, Joachim Budde, erklärte gegenüber der taz, man lote bereits seit Wochen gemeinsam Möglichkeiten der Unterstützung aus. Aber: „Leider ist Freischreiber e.V. als Verband zu klein, um eine Site wie torial stemmen zu können“, bedauert er. Noch diese Woche wolle man festklopfen, welche Alternativen man Mitgliedern bieten könne. Bisher sind torial-Profile und die Freischreiber-Website miteinander verknüpft.
Sollten die Verbände, die für die gleichen Anliegen kämpfen und deren Mitglieder sich überschneiden, die aber oft wie Konkurrenten agieren, kein Geld für torial zusammenwerfen, könnte es eng werden. Bis Ende des Jahres bleiben nur wenige Wochen. Vier Beschäftigte habe die Stiftung bereits entlassen müssen.
Doch Jordan gibt noch nicht auf. Denn es seien „einige Anfragen von möglichen neuen Trägern“ eingegangen. Die Motivation der Kandidaten wolle er „genau prüfen und sicherstellen, dass das Projekt im Stiftungszweck weitergeführt wird“. Wer die Kandidaten sind und wie wahrscheinlich eine Rettung ist, will der Geschäftsführer nicht sagen.
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