Platanen am Neustädter Deich in Bremen: Alter Streit neu aufgelegt
Im neuen Koalitionsvertrag wird die Debatte um den Erhalt der Neustädter Platanen wieder eröffnet. Die Linke strebt ein Beteiligungsverfahren an.
Die Linke ist verantwortlich für diese Formulierung. „Aus unserer Sicht gibt es eben diese bisherigen Erkenntnisse nicht, sondern zwei wissenschaftliche Meinungen“, sagt Christoph Spehr. Er ist Mitglied im Landesvorstand der Linken und war Teil des Teams in den Koalitionsverhandlungen.
Ein objektiver Prozess soll laut Spehr dafür sorgen, dass ein Ergebnis von allen Beteiligten getragen werden kann. „Wenn die Bäume wegkommen und das Stadtbild so verändert wird, sollte das schon sehr begründet sein“, sagt er. Das Bauressort der neuen Senatorin Maike Schaefer (Grüne) arbeite momentan an einem Vorschlag, wie so ein Prozess aussehen könnte.
Die 136 Platanen sollen in den nächsten Jahren im Zuge von Deicherhöhungen weichen. Um schweres Baugerät vor Ort nutzen und eine Spundwand am Deich einsetzen zu können, müssten die Platanen sowohl an der Krone als auch an den Wurzeln beschnitten werden. In der Folge wären sie kaum mehr überlebensfähig: So steht es in einem Brief der Verwaltung an die Umweltdeputation aus dem Jahr 2017 zum „Umgang mit den Platanen auf der Stadtstrecke“.
Gunnar Christiansen, Sprecher der BI „Platanen am Deich“
Um die Bäume bei dieser Form des Umbaus zu erhalten, also mit Sauerstoff und Wasser zu versorgen, würden die Haltungskosten des neuen Deichs steigen. Zudem hätten die Platanen durch fehlendes Wurzelwerk und beschnittener Krone dann Schlagseite, die Standsicherheit sinke und etwaiges Umfallen würde wiederum Löcher in den Deich reißen. Daher waren die Bäume eigentlich schon abgeschrieben.
Die Bürgerinitiative (BI) „Platanen am Deich“ lädt aufgrund der erneuten Öffnung der Debatte nun zu einem runden Tisch mit allen Beteiligten ein. Laut Machbarkeitsstudie der Baubehörde wäre auch eine Variante mit Baumerhalt möglich, sagt Gunnar Christiansen, Sprecher der BI. Er kritisiert das bisherige Verfahren: „Wenn immer nur eine Variante kommuniziert wird, ist das keine Beteiligung.“
Christiansen präferiert die Anpassung, bei der die Spundwand hinter den Bäumen installiert werden soll. Diese sei vergleichsweise günstig und schnell umzusetzen. „Wir gehen davon aus, dass die Entscheidung der Baumgegner nicht so sehr mit Hochwasserschutz, sondern eher mit Stadtplanung zu tun hat.“
Dabei sei in seiner Version, die auch Spehr thematisiert, im oberen Bereich genug Platz für Rad- und Fußverkehr. Und unten müsste nicht alles zubetoniert werden, so Christiansen. Die Regierungsparteien würden diesem Vorwurf wohl widersprechen, steht doch im Koalitionsvertrag, dass die Platanen für die Neustadt prägend seien und Hochwasserschutz oberste Priorität habe.
Deswegen bezweifelt auch Ralph Saxe, Sprecher der Grünen-Fraktion für Bürgerbeteiligung und Umwelt, dass die Bäume zu akzeptablen Kosten gehalten werden können: „Wenn es begründete Zweifel an der Deichsicherheit gibt, dann kann man es meiner Ansicht nach nicht verantworten, die Bäume stehen zu lassen.“ Da die Linke darauf bestanden habe, gestehe man ihr nun diesen Prozess zu. Ein Prozess, der trotz der Kritik ergebnisoffen sein soll.
Vor der Wahl hatten die damaligen Fraktionsvorsitzenden der Koalition gesagt, dass sie für die Platanen keine Chance sähen. „Bäume gehören einfach nicht auf einen Deich“, sagte Björn Tschöpe (SPD) im Nachgang eines taz Salons. „Die Platanen sind leider nicht zu halten“, hatte auch Maike Schaefer konstatiert. „Sie werden durch 500 neue Bäume ersetzt.“
Die Erhöhung der Deiche ist nötig, da der durch den Klimawandel steigende Meeresspiegel die Gefahr von höher auflaufenden Sturmfluten und vermehrten Orkanen erhöht. In dem Bereich mit den 50 bis 60 Jahre alten Bäume ist besonders die Beschaffenheit der Deiche besorgniserregend: Diese wurden in der Vergangenheit teilweise mit Bauschutt aufgefüllt.
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